Ökogas-Barometer: Infos zur Lage auf dem Ökogasmarkt 2022
von Anna. - Lesezeit: 3 Minuten
Mit der Energiewende im Wärmemarkt wird es eng. Wärmepumpen reichen nicht, um die Klimaziele für 2030 im Gebäudebereich zu erfüllen. Zwar steigt der Anteil an Wärmepumpen, doch noch immer heizen 49,5 Prozent der deutschen Haushalte mit einer Gasheizung. Selbst 2021 wurden in rund 27 Prozent der Neubauten Gasheizungen installiert. Um klimabewusster zu heizen, braucht es hier Biogas. Doch der Markt der Bio- und Ökogastarife schrumpft aktuell anstatt zu wachsen. Auf den großen Vergleichsportalen sind im Januar 2022 verglichen zum Vorjahr fast drei Viertel weniger Gas- und ebenso Biogastarife gelistet.* Viele Biogasanbieter bieten neuen Kund:innen ihre Tarife gar nicht mehr an.
„Die große Frage ist, wie wir die Energiewende in der Wärmeversorgung schnell auf Klimakurs bringen, wenn ein sehr großer Teil der Haushalte noch viele Jahre mit Gas heizt“, sagt Florian Henle, Geschäftsführer des Ökoenergieversorgers Polarstern. Er sieht die neue Regierung in der Pflicht, Biogas als Pfeiler der Energiewende zu stärken. „Biogas spielt für die Energiewende in der Strom- und in der Wärmeversorgung eine bisher unterschätzte Rolle.“ In der Stromversorgung helfen Biogasanlagen die volatile Stromerzeugung aus Solar- und Windkraft zu überbrücken und auch in der Wärmeversorgung können sie als Brückenlösung helfen, die Klimaziele im Gebäudebereich einzuhalten. „Perspektivisch werden wir in der Wärme zunehmend Ökostrom nutzen und auch Wasserstoff wird eine wichtige Rolle spielen, nur werden vor 2030 nicht die Mehrheit der Gebäude damit versorgt.“ Es brauche eine Zwischenlösung, um nicht den Bedarf an Erdgas in neue Höhen zu treiben.
Ein Markt, der Halbwahrheiten.
Während Ökostromtarife meist aus 100 Prozent erneuerbaren Energien bestehen, ist das bei den Ökogastarifen schon immer eine Seltenheit – und mit einer seit Jahren sinkenden Tendenz. Es gibt kaum noch Ökogastarife wie die vom Ökoenergieversorger Polarstern, die auf 100 Prozent Biogas beruhen. Die Mehrheit sind Ökogastarife, bei denen die CO2-Emissionen lediglich kompensiert werden (über 70 Prozent). Der Tarif selbst basiert komplett auf fossilem Erdgas. Und ist Biogas im Ökogasangebot enthalten, ist es meist nur ein kleiner Anteil von 10 Prozent.* Im Zuge der in die Höhe schnellenden Gaspreise ändern einige Versorger ihr Ökogasangebot und verringern den Anteil Biogas im Tarif oder nehmen keine Neukund:innen an. Auch der Ausbau erneuerbarer Energien wird mit den Gastarifen kaum gefördert.
Anders macht es der Ökoenergieversorger Polarstern. Er bleibt seinem Ziel treu, die Energiewende für jede:n Kund:in voranzubringen. Geschäftsführer Florian Henle sieht es nicht als Lösung, sich aus dem Markt auszuklinken und keine Neukund:innen mehr anzunehmen. Doch an der Preisschraube für Neukund:innen muss auch Polarstern kräftig drehen. Wichtig ist ihm, dass bei einem Wärmetarif immer in den Ausbau der erneuerbaren Energien investiert wird. „Ob Gasheizung oder Wärmepumpe, der perspektivisch die Zukunft gehört, wir müssen den Ausbau der erneuerbaren Energien dringend stärken“, fordert Florian Henle von Polarstern. Ansonsten verharre der Anteil erneuerbarer Energien im Wärmemarkt weiter bei 15 Prozent. Polarstern investiert bei seinen Ökogastarifen pro Kilowattstunde 0,21 Cent zusätzlich in den Ausbau erneuerbarer Energien sowie 20 Euro jährlich pro Kund:in in weltweite Energiewende-Initiativen.
Hürden im Ökogasmarkt.
„Es gibt einfach zu wenige Biogasanlagen, die dem freien Ökogasmarkt zur Verfügung stehen“, sagt Florian Henle. Der große Teil des hierzulande erzeugten Biogases wird schon lange im Zuge der EEG-Förderung zur Stromerzeugung in Gaskraftwerken oder Blockheizkraftwerken genutzt. Die Treibhausgas-Minderungsquote hat den Mangel an Biogas in der Wärmeversorgung weiter verstärkt, weil Kraftstoffanbieter Biomethan nutzen, um ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Im Zuge der Klimaneutralitätsziele setzen auch immer mehr Unternehmen auf Biogas zur Deckung ihres Wärmebedarfs. Und so wächst das Interesse an Biogas, ohne dass der Ausbau an Biogasanlagen steigt. Rund 9.600 Biogasanlagen sind derzeit in Deutschland in Betrieb. 2021 sollen nach aktuellen Prognosen rund 60 weitere dazukommen; ein Zuwachs von unter einem Prozent.
Zudem speisen nur rund zwei Prozent der Biogasanlagen in das Gasnetz ein. Betrachtet man die Mengen, sind es rund zehn Prozent des erzeugten Biogases, die ihren Weg in das Gasnetz finden. Der Rest wird verstromt oder direkt vor Ort selbst von den Anlagenbetreibern genutzt. „Eine Lösung, um die Energiewende in der Wärmeversorgung kurz- und mittelfristig voranzubringen, ist die Umrüstung von vielen Biogasanlagen zu Biomethan“, sagt Zoltan Elek, Geschäftsführer des führenden deutschen Biomethanhandelsunternehmens Landwärme. „So stünde mehr Gas für die Wärmeversorgung mit Gasheizungen zur Verfügung und das erzeugte Biomethan könnte gleichzeitig über Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auch den Anteil erneuerbarer Energien in der Fernwärmeversorgung steigern.“
Perspektivisch könnte auch Wasserstoff in den Gasleitungen fließen. „Bisher rechnet sich das nicht in der Breite“, gibt Florian Henle von Polarstern zu Bedenken. Mit der Polarstern-Tochter Green Hydrogen Esslingen wird bereits grüner Wasserstoff aus überschüssig erzeugtem lokalem Solar- und Windstrom erzeugt und in das Gasnetz eingespeist. Bisher ist das ein Forschungsprojekt und muss sich in der Praxis noch beweisen.
* Ökogas-Barometer 2022: Analyse der angebotenen Stromtarife in den 15 größten Städten Deutschlands, durchgeführt von Polarstern Januar 2022.
** Hinweis: Um Biogas in das Gasnetz einzuspeisen, muss es zu Biomethan aufbereitet werden. Die Tarife beim Energieversorger heißen dennoch Biogas bzw. Ökogas. Biomethan wird aus biogenen Stoffen gewonnen und ist nahezu CO2-neutral. Es kann Erdgas 1:1 ersetzen.