Earth Overshoot Day: Wann er 2024 ist und warum es Kritik gibt.
von Ludwig. - Lesezeit: 7 Minuten
1,75 Erden: Was bedeutet Earth Overshoot Day?
Das Datum des Earth Overshoot Day, auf Deutsch Welterschöpfungstag oder auch Erdüberlastungstag, wird jährlich von der internationalen Non-Profit-Organisation Global Footprint Network berechnet. Ziel der Berechnung ist es, die Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und unserer Umwelt zu messen, sie zu veranschaulichen und natürlich auch, sie zu reduzieren. Gewichtet wird für die Berechnung vor allem der globale CO2-Ausstoß, was dem Global Footprint Network schon einige Kritik einbrachte (siehe Kapitel unten). Angesichts des Klimawandels und des rasant ansteigenden Ressourcenbedarfs wird der Earth Overshoot Day immer wichtiger – und schiebt sich immer weiter nach vorne im Kalender. Momentan verbraucht die Weltbevölkerung so viel wie 1,75 Erden zur Verfügung stellen würden – also zu viel.
Erdüberlastungstag – der ökologische Fußabdruck der Menschheit.
Die Basis zur Berechnung des Earth Overshoot Days ist der Ecological Footprint, der ökologische Fußabdruck. Er steht für die Menge an Ressourcen und Biomasse, die jeder Mensch braucht, um damit seinen Konsum zu stillen. Darunter fällt die Erzeugung von Lebensmitteln, Kleidung, Baumaterialien, Treibstoff – alles! Der Earth Overshoot Day ist praktisch ein Symbol für den weltweiten ökologischen Fußabdruck – und unseren konsumintensiven Lebensstil.
Mit ihrem jetzigen Lifestyle braucht die Menschheit 1,75 Erden pro Jahr. Anders gesagt: Wir nutzen 75 % mehr Ressourcen, als die Erde nachbilden kann und leben über die planetaren Grenzen hinweg. Auf traurige Weise zeigt sich das zum Beispiel im Energiesektor. 2023 sind die weltweiten energiebedingten CO2-Emissionen laut Internationaler Energieagentur (IEA) um 1,1 % gestiegen und haben einen neuen Höchststand erreicht. Und das, obwohl der Anteil der erneuerbaren Energien an der Energieerzeugung von Jahr zu Jahr mehr wird. Der zwischenzeitige Corona-Effekt mit gesunkenen Emissionen ist also fulminant verpufft. Und auch in anderen Bereichen verursacht der Mensch viel CO2-Emissionen.
Kleiner Fußabdruck? Mit Wirklich Ökostrom von Polarstern.
Weltweites Ranking aller Länder für den Erdüberlastungstag.
Allein die G20-Staaten sind für 81 % des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich, wie das Statistische Bundesamt schreibt. Die größten Kohlenstoffdioxidemittenten unter den G20-Mitgliedern sind demnach China, die USA und die EU. Es ist also vor allem der Lebensstil der Industrienationen, der viele Ressourcen verschlingt, CO2 verursacht und dem Planeten schadet.
Wann ist weltweiter Erdüberlastungstag 2024?
Im Jahr 1990 fiel der weltweite Earth Overshoot Day noch auf den 14. Oktober, Anfang der 2000er-Jahre schwankte der Termin dem Global Footprint Network zufolge zwischen Ende und Mitte September. Und jetzt? Inzwischen fällt der Welterschöpfungstag bzw. Earth Overshoot Day bereits auf Ende Juli bzw. 2024 auf Anfang August.
Earth Overshoot Day am 1. August 2024.
Der Earth Overshoot Day fällt dieses Jahr auf den 1. August, wie das Global Footprint Network errechnet hat. Zur Einordnung: 2023 war der weltweite Erdüberlastungstag am 2. August, also ein sehr ähnliches Datum.
Erdüberlastungstag für Deutschland am 2. Mai 2024.
Deutschland ist noch früher dran: 2024 ist der German Overshoot Day, also der deutsche Welterschöpfungstag, schon am 2. Mai gewesen. Das bedeutet: Würden alle Menschen auf der Erde so viele Ressourcen verbrauchen wie die Deutschen, wäre der Erdüberlastungstag an diesem Tag. Um den Jahresbedarf der Deutschen an Ressourcen zu decken, bräuchte man dafür rund drei Erden pro Jahr. Wie andere Länder beim Overshoot Day abschneiden, siehst du hier:
Wie die folgende Tabelle zum Earth Overshoot Day zeigt, ist beim Welterschöpfungstag ein klarer Trend erkennbar. Und der verheißt nichts Gutes für die Menschheit: Der globale Erdüberlastungstag findet seit Jahrzehnten immer früher statt beziehungsweise rückte das Datum zuletzt nicht weiter nach hinten im Jahreskalender (mit Ausnahme zur Corona-Hochphase).
Tabelle: Datum & Entwicklung des weltweiten Erdüberlastungstag seit 1970.
2024 | 1. August |
---|---|
2023 | 2. August |
2022 | 1. August |
2021 | 3. August |
2020 | 16. August |
2015 | 5. August |
2010 | 10. August |
2005 | 27. August |
2000 | 25. September |
1990 | 14. Oktober |
1980 | 8. November |
1970 | 30. Dezember |
Quelle: overshootday.org
So wird der Erdüberlastungstag berechnet.
1970 fiel der Erdüberlastungstag noch auf den 29. Dezember. Das ist heute kaum mehr vorstellbar. Doch wie werden die Daten und die Entwicklung des Earth Overshoot Day eigentlich errechnet?
- Basis der Berechnung ist die Biokapazität der Erde (Fähigkeit der Erde, die vom Menschen verbrauchten Ressourcen zu erneuern und Schadstoffe wie z. B. Treibhausgase abzubauen).
- Die Biokapazität stellt man dem globalen ökologischen Fußabdruck gegenüber. Dieser misst, wie viele natürliche Ressourcen die Menschheit verbraucht.
- Ist der menschliche Verbrauch der Ressourcen größer als der Nachschub, spricht man vom „Overshoot“ – der ökologischen Verschuldung bzw. Ausbeutung.
- Vereinfacht lautet die Formel zur Berechnung: Biokapazität der Erde / Bioverbrauch der Erde * 365 Tage.
Quelle: Welthungerhilfe/Global Footprint Network
Fragwürdige Berechnung: Kritik am Earth Overshoot Day.
Der Earth Overshoot Day ist inzwischen ein mediales Ereignis: Medien in aller Welt berichten über den Tag bzw. über den nationalen Country Overshoot Day. Kein Wunder, denn das Bild der ökologischen Schulden und des Auf-Pump-Lebens ab Tag X ist ja auch sehr plakativ und gut zu vermitteln. So hat sich der Earth Overshoot Day unter den vielen Umwelt-Aktionstagen, die es über das Jahr hinweg gibt, zu einem der wichtigsten und bekanntesten gemausert und findet viel Beachtung.
Im Prinzip ist das Konzept und die Herangehensweise auch gut, finden wir. Denn so oder so regt es zum Nachdenken an, und dass viele Menschen und Firmen über ihre Verhältnisse leben, ist auch eine Tatsache. Es wird aber vergessen, dass es einige Fragen und Kritik an dem Aktionstag gibt. Wir fassen zwei Hauptkritikpunkte des Erdüberlastungstags hier zusammen.
1) Starke Vereinfachung einer komplexen und ausbaufähigen Berechnung.
Das Global Footprint Network wirbt damit, die Wissenschaft hinter den Berechnungen sei so "einfach wie Zufußgehen". Simpel ist die Methodik aber schon deshalb nicht, weil die Flächenbedarfe für verschiedene Länder und Nutzungsarten mit mehreren Ausgleichs- und Umrechnungsfaktoren sowie mit globalen Durchschnittswerten bearbeitet werden, um sie vergleichbar zu machen. Hinter dem Fußabdruck steht vielmehr ein komplexes und kritisiertes Rechenverfahren, mit dem Flächenverbrauch für Siedlungen, Ackerbau, Viehweiden, Fischerei, Waldprodukte und die Entsorgung der CO2-Emissionen ermittelt werden. Der Earth Overshoot Day ergebe sich am Ende aus dem Verhältnis von weltweit vorhandener zu benötigter Nutzfläche. Eine problematische Formel, weil sie andere Umweltfolgen des Konsums außen vorlässt.
Die globale Erwärmung ist per se aber kein Flächenproblem, wie es das Global Footprint Network vorzugeben scheint. Wenn mehr CO2 auf kleinerer Fläche gebunden werden könnte, würde sich der Indikator verbessern, obwohl die Emissionen gleich blieben.
Das Global Footprint Network räumte bereits selbst Schwachstellen im Rechenprozess ein. Es würden in die Berechnung "weder alle menschlichen Ansprüche, die um Raum konkurrieren, noch alle Gebiete, die Dienstleistungen erbringen, in die aktuellen Bewertungen einbezogen", heißt es. Am Ende ist der Erdüberlastungstag also eine stark vereinfachte Annahme komplexer Realität, die aber vielen derartigen Tagen zugrunde liegt. Dieses Dilemma hat der Earth Overshoot Day so gesehen nicht exklusiv.
2) Übergewichtung von CO2 beim Earth Overshoot Day.
Dass trotz der Probleme bei der zugrunde liegenden Berechnung jedes Jahr ein Earth Overshoot Day mit einem globalen ökologischen Fußabdruck verkündet wird, liegt an den CO2-Emissionen. Sie spielen die zentrale Rolle bei der Berechnung des Fußabdrucks.
Das Global Footprint Network setzt in seinem Budget nämlich an, welche Waldfläche nötig wäre, um alle menschlichen Emissionen biologisch in Holz einzulagern statt wie jetzt in der Luft – eine Strategie, die niemand im globalen Klimaschutz ernsthaft verfolgt. Leider. Und zudem werden Wälder ja wieder gerodet und CO2 wird frei, die Funktion der CO2-Senke gilt dann nicht mehr. Kohlenstoffspeicherung in Wäldern ist in den Daten von 2022 für 60 % des Flächenbedarfs der Menschheit verantwortlich, schreibt spektrum.de. Dabei werde das Kohlendioxid, das der Ozean aufnimmt, in der Formel einfach abgezogen – ohne ökologische Schäden durch die Versauerung der Meere einzubeziehen. Lässt man das Klima außen vor und zieht nur Faktoren wie Ackerland, Wald und Fischerei heran, wird die Gesamtbilanz erstaunlicherweise sogar positiv: Die Menschheit würde demnach nur 68 % der Biokapazität nutzen, die ihr eigentlich zur Verfügung steht, so spektrum.de.
Überlastete Erde: Wo wir viel zu viele Ressourcen verbrauchen.
Kritik hin oder her: Der Earth Overshoot Day veranschaulicht die Auswirkungen unseres konsumintensiven Lebensstils auf den Planeten und erinnert daran, dass wir zu stark auf Kosten zukünftiger Generationen leben. Wie sehr sich die Welt verändert, sieht man besonders an schmelzenden Gletschern, verschwindenden Seen, Monokulturen oder austrocknenden Landschaften wie in Spanien.
5 Tipps: Wie du deinen Ressourcenbedarf senkst.
Nicht alle, aber viele sollten runter von unserem Konsumtrip. Die Menschheit hat die Kapazitäten der Erde fast erschöpft, der ökologische Fußabdruck ist zu groß. Es reicht nicht, nur CO2 einzusparen. Wir sollten tatsächlich unseren Ressourcenverbrauch insgesamt senken. Wasser, Biomasse und Böden sind überlebenswichtig für uns und die Umwelt. Es braucht einen bewussten Lebensstil, um den Erdüberlastungstag wieder später im Jahr zu haben. Das können wir im Alltag dafür tun:
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Wie Ressourcenverbrauch auch in Deutschland zum Problem wird.
Der Erdüberlastungstag zeigt uns die Grenzen auf, die es eigentlich gibt, die die Menschheit mit ihrem Konsum und Ressourcenverbrauch aber ignoriert.
Ein Beispiel für den ökologisch maßlosen Umgang mit unserem Planeten ist Wasserstress. Wasserstress, also akuter Wassermangel durch Trockenheit oder Ausbeutung von Wasserreserven, bedeutet ein steigendes Risiko für Umweltprobleme und wirtschaftliche Schwierigkeiten, so das Umweltbundesamt. Das Phänomen wird immer mehr zum Problem – und bedroht laut ThinkTank World Ressources Institut schon jetzt rund ein Viertel der Weltbevölkerung.
2019 hat die Denkfabrik 17 Länder ausgemacht, die unter besonders großem Wasserstress leiden. Darunter sind: Indien, Katar, Iran, Israel und auch San Marino. Neben Nordafrika und dem Mittleren Osten wird Wasserknappheit im Mittelmeerraum längst zum Problem.
Wasserstress: Deutschland verliert so viel Wasser wie im Bodensee ist.
Auch Deutschland hat längst ein Problem mit Wasserknappheit. Laut Analysen der Satellitenmission „Grace“ ist Deutschland eine der Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit. Die Grace-Satelliten messen Veränderungen der Schwerkraft der Erde, die z. B. durch den unterschiedlichen Wassergehalt in Grundwasserkörpern entstehen. Expert:innen zufolge liegt der Wasserverlust seit der Jahrtausendwende pro Jahr bei 2,5 Kubikkilometern. Oder anders ausgedrückt: Seit dem Jahr 2000 hat Deutschland so viel Wasser verloren, wie im Bodensee ist. Krass.
Und auch mit der Ressource Fläche sollten wir sparsamer umgehen. In Deutschland werden unzählige Quadratkilometer an Fläche versiegelt. Für neue Straßen, Gebäude und Gewerbegebiete. Laut Umweltbundesamt hat im Zeitraum von 1992 bis 2020 die Bodenversiegelung in Deutschland um insgesamt 4.751 km2 zugenommen. Das sind im Durchschnitt rund 170 km2 pro Jahr.
Wir alle können mehr Ressourcen sparen, als einzelne Personen aber auch in der Wirtschaft. Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie wie der Ökoenergieversorger Polarstern messen sich am ressourcenbewussten Handeln.
Erfahre mehr über uns als Social BusinessIndex bewertet Staaten nach Nachhaltigkeit.
Bislang wurde die Entwicklung von Staaten nach dem Human Development Index (HDI) bewertet. Dieser Indikator sagt etwas über den Lebensstandard in einem Land aus, quasi eine Art Wohlstandsindikator. Es geht vor allem um Lebenserwartung, Gesundheitsversorgung, Ausbildung und Kaufkraft. Er ignoriert aber, mit welchen Konsequenzen diese Entwicklung für das Klima und die Umwelt einhergeht. Um dieses Paradox aufzuzeigen, hat der Anthropologe Jason Hickel den Sustainable Development Index (SDI) konzipiert, der mehr über den ökologischen Fußabdruck einer Nation aussagt.
Deutschland auf Rang 140 – Costa Rica auf Platz 1.
Auf Platz 1 liegt Costa Rica, vor Sri Lanka und Georgien. Die besonders "entwickelten" Länder wie in Europa, die USA oder Australien liegen auf den hintersten Plätzen. Deutschland belegt im SDI-Ranking nur Platz 140 von 165 Nationen, Japan ist 145. und die USA liegen auf dem 160. Platz. Schlusslicht im SDI-Index ist der Stadtstaat Singapur.
Ausgewählte Länder des Sustainable Development Index:
Land | SDI-Wert* | HDI-Wert** |
---|---|---|
Costa Rica | 0,850 | 0,810 |
Brasilien | 0,747 | 0,765 |
Kambodscha | 0,640 | 0,594 |
Madagaskar | 0,568 | 0,528 |
Frankreich | 0,490 | 0,901 |
China | 0,461 | 0,761 |
Deutschland | 0,351 | 0,947 |
Japan | 0,310 | 0,919 |
USA | 0,163 | 0,926 |
Katar | 0,154 | 0,848 |
*aktuellste Werte von 2019
**aktuellste Werte von 2020
Die Länder des globalen Südens bekommen den Klimawandel stärker zu spüren als wir, obwohl ihr ökologischer Fußabdruck meist viel besser ist. Dazu gehört auch Madagaskar, wo Dürren und Hungersnöte leider keine Seltenheit mehr sind. Deshalb bringen wir gemeinsam mit unserem Partner Africa GreenTec erneuerbare Energie und Infrastruktur nach Madagaskar – für mehr saubere Solarenergie und weniger fossilen Ressourcenverbrauch. Als Kund:in von Polarstern unterstützt du diese weltweite Energiewende mit jeder verbrauchten Kilowattstunde Ökostrom oder Ökogas.
Mehr über unser Engagement in Madagaskar