9 Lösungen für wirklich nachhaltigere Mode.
von Michael. - Lesezeit: 8 Minuten
Wie die Fast Fashion fast den Planeten ruiniert.
Spiegel sind knallhart. Sie sagen dir ins Gesicht, dass rot nicht deine Farbe ist oder dass du noch was zwischen den Zähnen hast. Aber wären sie richtig ehrlich, würden sie noch ganz andere Dinge entdecken. Zum Beispiel, welche Gemeinheiten eigentlich in unseren Anziehsachen stecken.
CO2-Emissionen der Textilindustrie.
Es geht schon mal damit los, dass die Textilindustrie für eine Branche allein richtig viele Emissionen verursacht. Laut der Unternehmensberatung MicKinsey emittierte die Textilindustrie 2018 rund 2,1 Milliarden Tonnen CO2 – 4 % des globalen Ausstoßes. Das Europäische Parlament geht sogar von 10 % aus. Es kommt eben darauf an, wie viele Stufen der Wertschöpfungskette mitberechnet werden. Bis zum Beispiel ein T-Shirt in einem deutschen Laden ankommt, hat es laut Bundesentwicklungsministerium (BMZ) an die 18.000 Kilometer zurückgelegt.
Wasser, Pestizide, Chemikalien.
Der Schaden passiert aber nicht nur in der Atmosphäre, sondern genauso am Boden. Für die Herstellung eines Baumwoll-T-Shirts werden laut Europäischem Parlament rund 2.700 Liter Wasser benötigt. Außerdem verbraucht der Baumwollanbau verbraucht laut Umweltbundesamt (UBA) und BMZ zwischen 14 und 25 % der weltweiten Insektizid- und 5 bis 10 % der Pestizidmengen. Außerdem sollen laut BMZ jährlich rund 43 Millionen Tonnen Chemikalien zum Einsatz kommen. Viele Schadstoffe gelangen in die Natur und kommen so zurück zum Menschen, etwa über das Grundwasser. Und dann sind da noch die Arbeiter:innen in der Industrie, die mit den chemischen Stoffen direkt in Kontakt kommen und so ihre Gesundheit gefährden.
Ausbeutung.
Apropos Arbeiter:innen: Sie sind ohnehin die Leidtragenden unseres Modekonsums. Damit Kleidung am Ende günstig auf der Stange hängen kann, werden Menschen unterbezahlt, geprellt und ausgebeutet. Allein der Lohnanteil einer Näherin eines Marken-T-Shirts liegt laut BMZ bei 0,6 %. Unterbezahlung ist die eine Sache. Aber sie geschieht oft unter den schlechtesten Arbeitsbedingungen und einer Bis-zum-Umfallen-Stunden-Woche. In der Vergangenheit war der Arbeitsschutz oftmals so gering, dass es kracht. Buchstäblich. Prominentestes Beispiel: Der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza, bei dem 1.136 Menschen sterben mussten.
Wir müssten uns nie wieder was zum Anziehen kaufen.
Alles eine Folge günstiger Fast-Fashion-Industrie. Dabei ist die Welt ohnehin schon ein einziger Kleiderberg. Und wir diejenigen, die uns immer noch verhalten wie vorm ersten Date: Was soll ich bloß anziehen? Mei, vielleicht eines der 60 Teile, die sich die Deutschen im Schnitt pro Jahr Kaufen. Oder eines der 500 Millionen Kleidungsstücke, die sich laut der deutschen Textilverbände im Handel nach Corona in den Lagern stapeln. Laut McKinsey blieb die Industrie 2020 auf einem Kleiderberg im Wert von mindestens 200 Milliarden Dollar sitzen. Dabei werden schon in einem Pandemie freien Jahr Textilwaren im Wert von 100 Milliarden Dollar nicht verkauft. Und da kommt schon die nächste Ladung rein. Mode ist eben Mode. Was heute nice ist, ist morgen so 2021 und muss weg. Und so fliegen nach Angaben der UN 85 % der Textilien weltweit auf dem Müll oder werden verbrannt, obwohl die Materialien noch benutzt werden können. Fazit: Wir verschwenden Ressourcen, Emissionen, machen Umwelt und Menschen kaputt für etwas, das wie bereits im Überfluss besitzen.
9 Wege für einen besseren Kleiderkonsum.
Die Modebranche ist aber wie ein Wendepulli. Auf der einen Seite sind da riesige ökologische und gesellschaftliche Probleme, auf der anderen Seite aber auch Lösungen. Natürlich ist die bestehende Unlogik des Textilmarktes schwer zu brechen, aber wir alle können schon mal anfangen, etwas zu verändern. Es beginnt mit einem neuen Look. Die einfachsten zwei Regeln bedeuten: weniger oder gebraucht kaufen. Und weil das allein doch etwas traurig klingt, haben wir noch Tipps, wie man gut neu einkauft.
1. Vintage-Mode kaufen.
Was alt ist, will niemand haben? Vielleicht liegt's am Wort. Vintage, das klingt doch gleich viel besser als secondhand oder gebraucht. Vintage-Mode hat sowieso einen großen Vorteil. Sie hat auch immer etwas Exklusives. Denn was aktuell in den Schaufenstern hängt oder vorwiegend auf Instagram und Tik Tok zu sehen ist, hat auch jede:r an. Ein alte coole Bluse, ein Hemd, das man entdeckt hat, hat dafür den Glanz einer echten Rarität.
2. Kleider tauschen.
Seinen eigenen Kram kann man ohnehin gut loswerden. Zum Beispiel bei Vinted, wo man tauschen, verkaufen und Kleidung verschenken kann. Kleidertauschpartys sind ein guter Anlass, mal wieder Freund:innen zu treffen und dabei Anziehsachen einfach mal durchrotieren zu lassen.
3. Upcyceln.
Wer seine alten Stücke nicht loswird und in ihrer jetzigen Form nicht mehr sehen kann, hat immer noch die Möglichkeit, Ärmel abzuschneiden oder Hosenbeine zu kürzen. Und wenn gar nicht’s mehr hilft, lassen sich aus alten Klamotten noch Lappen oder Kissenbezüge machen. Auch in der Modeindustrie wird Upcycling immer wichtiger. Einige Marken entdecken, dass die Weiterverwertung von Material auch eine Menge Geld spart. Und es ist das Gegenteil von billig. Gerade Luxusmarken entdecken das Upcycling. Zwar kommen für das gleiche Schnittmuster unterschiedliche Stoffe zusammen. Aber letztlich ist das auch exklusiver. Kund:innen wissen, dass sie hier ein Unikat in der Hand halten. Und damit auch etwas Wertvolles.
Was du aus alten T-Shirts alles machen kannst4. Reparieren.
Apropos Nähen: In Zeiten von YouTube gibt es eigentlich keine Ausreden mehr, einen Knopf nicht anzunähen. Wie das geht, hat man irgendwann in der dritten oder vierten Klasse gelernt. Mit einem Tutorial ist das Wissen schnell aufgefrischt. Oft sind es diese Kleinigkeiten, die dafür sorgen, dass eine Bluse oder ein Hemd nicht so schnell ausgemustert wird. Trainieren wir uns an, kleinere Dinge selbst zu reparieren, dann tragen wir unsere Kleidung definitiv länger.
5. Zeitlos vor Zeitgeist.
Vor dem Kauf eines neuen Teils sollte man sich immer die Frage stellen, ob man das wirklich will. Zeitlose Mode ist am besten. Denn wer dem Trend von heute hinterherläuft, sieht morgen schon wieder aus wie der Depp und verhält sich auch so. Denn jede ungenutzte Teil hat schon wieder Geld und Ressourcen gekostet.
Wie du natürliche Ressourcen nutzt und sparst6. Auf Siegel achten.
Nachhaltigkeitssiegel und Fair-Trade-Labels helfen, den Markt zu verändern. Sie stehen für bessere Arbeitsbedingungen und einen ökologischere Produktion. Dass es immer mehr Marken gibt, die eine Zertifizierung durch ein Label anstreben, hat auch etwas mit dem Anspruch an das eigene Produkt zu tun. Denn wie hochwertig ist ein Produkt tatsächlich, wenn es einen gesellschaftlichen und ökologischen Schaden anrichtet? Eben. Damit im Markt auch etwas passiert, sind wir als Konsument:innen aufgerufen, Angebote mit Siegel zu nutzen. Ökofaire Mode erkennst du zum Beispiel an den Siegeln bluesign, IVN Best, GOTS (Global Organic Textile Standard), Fairtrade Cotton, Fair Wear oder Cotton made in Africa. Bei diesen Labeln wird fair bezahlt, unter guten Bedingungen produziert, die lokale Wirtschaft gestärkt und Naturfasern genutzt. Bio-Baumwolle ist weder genmanipuliert noch mit chemischen Pestiziden behandelt und verbraucht laut einem Bericht von Utopia 91 % weniger Wasser.
Der Grüne Knopf.
Der Grüne Knopf wiederum ist das erste staatliche Siegel für faire Arbeitsbedingungen und Umweltschutz in der Kleidungsindustrie. Das Siegel will einen einheitlichen Standard für den deutschen Markt entwickeln. Schließlich die Kriterien der Modesiegel unterschiedlich streng. Beim Grünen Knopf werden die Standards von externen Prüfer:innen kontrolliert, die sich auch Fabriken vor Ort ansehen.
Vorerst werden allerdings nur „Zuschneiden und Nähen“ und „Bleichen und Färben“ überprüft. Und wie bei den anderen Standards auch, ist der Grüne Knopf ein freiwilliges Label. Die "Schmutzigen“ der Modebranche werden nicht mitmachen. Die deutsche Textilbranche kritisiert außerdem, dass der Grüne Knopf als nationales Siegel zusätzlich zu international anerkannten Siegeln für mehr Verwirrung statt Klarheit sorgt. Auch werden die festgelegten Kriterien als unzureichend kritisiert. Nur weil etwa Arbeiter:innen den gesetzlichen Mindestlohn ihres Landes erhalten, heißt das noch nicht, dass dieser Lohn im jeweiligen Land auch wirklich zum Leben reicht.
7. Bei einem Social Business einkaufen.
Siegel sind wichtig, erkennt man doch mit einem Blick, unter welchen Bedingungen ein Kleidungsstück hergestellt wurde. Man kann aber immer noch einen Schritt weitergehen und Unternehmen entdecken, die ihre komplette Unternehmens-DNA nach ökofairen Kriterien ausrichten. Im Folgenden haben wir ein paar Beispiele für dich. Mit einem Klick auf das Plus klappst du weitere Info zu ihnen aus.
Finde Social Business Unternehmen in deiner NäheStylische Slow Fashion von Loveco.
Das ist zum Beispiel Polarstern-Kunde Loveco. Ein Shop, in dem es ausschließlich vegane, faire und ökologische Mode zu kaufen gibt. Hier findest du alle guten Marken, die für eine faire und nachhaltige Mode stehen und mit strengen Siegeln wie GOTS und Fair Trade zertifiziert sind: zum Beispiel ARMEDANGELS, bleed, Nudie Jeans, pinqpong oder Veja. Der Shop selbst ist mit Second-Hand oder Upcycling-Möbeln ausgestattet, versendet Waren mit DHL Go Green und bezieht Wirklich Ökostrom von Polarstern, das senkt schon mal den CO2-Ausstoß für Strom auf Null. Die restlichen CO2-Emissionen werden kompensiert und alles Finanzielle über die nachhaltige Bank GLS abgewickelt.
Stitch by Stitch: Integration von geflüchteten Schneiderinnen.
Stitch by Stitch ist ein echtes Social Business. Darunter versteht man ein Unternehmen, das mit seinem Produkt oder Dienstleistung immer auch ein gesellschaftliches Problem adressiert. Stitch bei Stitch ist eine Schneider-Werkstatt, die mit syrischen und afghanischen Schneiderinnen zusammenarbeitet. Die Kunden sind teils Start-Ups, teils etablierte Designer:innen in der Modebranche. Die professionellen Schneiderinnen produzieren unter dem Gütesiegel „Made in Germany“ und werden fair dafür entlohnt. Sprachbarrieren und fehlende Qualifikationsnachweise sind kein Ausschlusskriterium: Arbeit und Gesellenbrief laufen in Form einer dualen Ausbildung gleichzeitig. Ihre Fähigkeiten können die Schneiderinnen schließlich ganz einfach zeigen, ohne dafür schriftliche Beweise auftreiben zu müssen. So werden die Frauen in den Arbeitsmarkt integriert und können sich eine eigene Existenz hier in Deutschland aufbauen. Damit wird auch die Integration ihrer gesamten Familie gefördert. Nicole von Stitch by Stitch beschreibt das so: „Als zukunftsfähiges Social Business, das eine unternehmerische Lösung für aktuelle soziale Herausforderungen bietet, wollen wir aufzeigen, dass die Integration von geflüchteten Menschen nicht nur möglich ist, sondern dass sie eine Reihe von Fertigkeiten mitbringen, die hierzulande dringend gebraucht werden und einem Fachkräftemangel entgegenwirken können.“
Aktuell startet Stitch by Stitch zusätzlich mit einem eigenen Label. Dabei sind alle in der Werkstatt beteiligt und können sich einbringen. Natürlich ist eine ökologische und faire Produktion aus biologisch-zertifizierten und nachhaltigen Materialien das A und O. Besonders inspiriert wurde das Unternehmen auch vom Prinzip der Kreislaufwirtschaft. So kann ihr Flagschiff-Stoff aus 100% PET-Flaschen beispielsweise komplett recycelt und wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden.
Nachhaltige Outdoor-Bekleidung von VAUDE.
Man muss noch kein Social-Business nach Eigendefinition sein, um sich ganzheitlich nachhaltig auszurichten. Ein gutes Beispiel ist Polarstern-Kunde VAUDE. Der Outdoor-Hersteller wird ab 2022 mit allen Produkten klimaneutral sein. Bis 2024 sollen alle Produkte überwiegend aus biobasierten oder recycelten Materialien bestehen. Dabei ist VAUDE auf vielen Stufen der Lieferkette mit Zertifikaten ausgezeichnet – unter anderem mit dem Global Organic Textile Standard (GOTS), dem Global Recycled Standard (GRS), dem Grünem Knopf oder dem Eco Management and Audit Scheme (EMAS). Außerdem ist der VAUDE ebenso wie Polarstern Mitglied der Gemeinwohl-Ökonomie. Eine Bewegung aus Unternehmen, die wertebasiert wirtschaften, ihren Nutzen für das Gemeinwohl evaluieren und in Gemeinwohlbilanzen festhalten. Die Bilanzen werden von unabhängigen Auditor:innen überprüft und benotet.
Mehr über uns als GWÖ- und B-Corp-Mitglied erfahren8. Politischer Druck.
Es sind nicht nur die ökofairen Modelabels, die Hoffnung auf eine Veränderung des Marktes geben. Die Politik zieht auch gerade etwas nach. So will etwa die Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetz verhindern, dass Ware einfach so zerstört werden darf. Das soll die Modeindustrie zu mehr Up- und Recycling zu bewegen. Und dann sind da auch noch die großen Marken, die eigentlichen Treiber der Fast Fashion, die sich zumindest ein bisschen bewegen. „Conscious“-Kollektionen oder die Weiterverwendung von alten Plastikflaschen für Kunstfasern sind Schritte in die richtige Richtung. Weil die großen Marken selten mit einem unabhängigen Nachhaltigkeitssiegel zertifiziert sind, lassen sich die Versprechen aber nur schwer belegen. Und oft lässt man sich die nachhaltigen Produkte mit einem Preisaufschlag von den Kund:innen bezahlen. Unser Partner Loveco sagt zurecht, dass „Nachhaltigkeit und soziales Engagement vom Kern eines Unternehmens kommen müssen und nicht in einzelne Abteilungen abgegeben werden.“
Mehr dazu schreibt Loveco hier9. Die richtige Energie fürs Waschen, Trocknen und Bügeln nutzen.
Ein großer Teil der CO2-Emissionen deiner Kleidung fallen übrigens in der Nutzungsphase an, also beim Waschen, Trocknen und Bügeln. Dieses CO2 kannst du mit einem Schlag sofort loswerden. Mit Wirklich Ökostrom von Polarstern. Wir zeigen dir transparent, wo wir deinen Ökostrom erzeugen lassen. Das Beste: Als Polarsten-Kund:in stößt du den Bau von Biogasanlagen in Kambodscha an – und treibst die Stromversorgung in Dörfern in Madagaskar an. Denn Klimaschutz ist eine weltweite Aufgabe. Und wie bei der Mode haben wir hier eine besondere Verantwortung. Nutzen wir sie!