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Plastikflasche am Meer

Produkte aus Meeresplastik: Wirklich gut oder nicht zu empfehlen?

Plastikflasche am Meer
Sneaker, Kleidung, Sonnenbrillen, Rucksäcke – es gibt jede Menge Artikel aus recyceltem Meeresplastik. Vielleicht hast du auch schon ein Produkt aus recyceltem Plastik gekauft. Das gibt immer ein gutes Gefühl. Doch wie gut sind solche Produkte wirklich? Wie ehrlich meinen es die Unternehmen mit ihrem Plastik-Engagement? Ein Pro und Contra zu Produkten aus Meeresplastik, damit du dir deine eigene Meinung bilden kannst.

von Ludwig. - Lesezeit: 5 Minuten

Eine grundsätzliche Frage steckt hinter der Nutzung von Meeresplastik in Produkten: Schafft man das Plastikproblem wirklich aus der Welt, wenn man daraus ein Geschäftsmodell macht? Müsste das Problem nicht besser an der Wurzel angepackt werden, um die gigantischen Berge an Plastikmüll reduzieren?

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder kleinere Skandale oder Vorwürfe gegen Meeresplastik-Unternehmen. Welche Schattenseiten oder Nachteile hat das große Business mit dem recycelten Meeresplastik oder ob es am Ende doch rundum gut für unsere Weltmeere ist, dazu versuchen wir in diesem Artikel Antworten zu finden.

Vom Plastik im Meer zum Produkt.

Bevor aus dem Plastik ein Produkt wird, gibt es eine lange Erzeugungskette. Nach dem Einfangen und Sammeln des Plastiks muss alles sorgfältig getrennt und gereinigt werden, um dann zerkleinert schließlich in ein Granulat verwandelt werden zu können. Genutzt wird dazu in der Regel der PET-Anteil des gesammelten Plastikmülls. Der restliche, unbrauchbare Plastikanteil wird der klassischen Recyclingkette zugeführt. Schließlich wird aus dem PET-Plastikgranulat ein hochwertiges Garn erzeugt, das dann wiederum weiterverarbeitet wird.

Die Erzeugungskette von Produkten aus Meeresplastik.

Produkte aus recyceltem Meeresplastik.

Ob Handyhüllen, Rucksäcke, Schmuck, Möbel, Taschen, Schuhe oder Kleidung: Inzwischen gibt es eine Vielzahl an Meeresplastik-Produkten. Oft steht auf den Artikel und Produkten hergestellt aus „Ocean Plastic“. Große Unternehmen wie der Hersteller Henkel kooperieren mit der Initiative Waste Free Oceans und engagierten sich in der Vergangenheit gegen die Verschmutzung von Flüssen und Meeren, etwa in Form von Müllsammelaktionen. Henkel setze seit 2019 sogenanntes Social Plastic in Verpackungen für Kosmetikprodukte und Wasch- und Reinigungsmittel ein, heißt es. Es sei „ein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft.“

Ganze Meeresplastik-Produkte.

Aber nicht nur Verpackungen sind aus recyceltem Plastik aus Gewässern. Viele Unternehmen stellen ganze Produkte aus Plastikmüll her, nicht nur die Verpackung. Die Mainzer Firma Got Bag etwa ist bekannt für ihre Rucksäcke aus Plastikmüll. Patagonia und unser Geschäftskunde VAUDE verwenden recyceltes Material für ihre Klamotten. Bis 2024 sollen etwa 90 % aller VAUDE-Produkte einen recycelten oder biobasierten Materialanteil von mehr als 50 % haben. Und auch der Weltkonzern Adidas hat Produkte wie Schuhe oder Shirts aus Meeresplastik im Angebot. Auf der Adidas-Webseite heißt es: „Wir arbeiten daran, bis 2024 überall, wo es möglich ist, neu produzierten Polyester durch recycelten ersetzt zu haben. Uns ist bewusst, dass wir Teil des Problems sind, aber wir wollen ein noch größerer Teil der Lösung sein.“ Man stehe gerade bei 96 %, schreibt Adidas (Stand: Juni 2024).

Dass so viele Unternehmen sich des Problems bewusst sind, ist gut. Es hat eine Signalwirkung an andere Firmen und an uns Verbraucher:innen. Aber: Tatsächlich gibt es keine verbindliche Definition für Ocean Plastic. Und so besteht der Verdacht, dass Hersteller die Aufmerksamkeit für das Plastikproblem nutzen, um ihr Image aufzupolieren.

Unsere Tipps gegen Plastikmüll

Pro & Contra: Sind Meeresplastik-Produkte nun gut oder nicht?

Pro-Argumente für Produkte aus recyceltem Meeresplastik.

  • Mehr Plastikmüll aus dem Meer: Plastikmüll aus den Weltmeeren zu fischen, ist wahrscheinlich nochmal attraktiver geworden, seitdem es für unzählige Firmen und Startups weltweit ein Geschäftsmodell geworden ist.
  • Ressourcenschutz: Wenn Firmen für die Herstellung ihrer Produkte recyceltes Meeresplastik verwenden, schont das anderweitig Ressourcen für Materialien. Die Kreislaufwirtschaft spart Rohstoffe.
  • Aufmerksamkeit auf das Plastikmüll-Problem: Produkte, die zum Teil oder ganz aus Meeresplastik bestehen, sensibilisieren uns Verbraucher:innen für das Thema Plastikmüll in den Ozeanen.
  • Beitrag zum bewussteren Wirtschaften: Je mehr Firmen mitmachen, desto größer wird der Druck auf schwarze Schafe, also auf Unternehmen, die sich gar nicht um unsere Umwelt und den Plastikmüll kümmern, den sie verursachen.

Contra-Argumente zu Produkten aus recyceltem Meeresplastik.

  • Mehr Schein als Sein: Bei manchen Unternehmen steckt hinter den Artikeln aus Meeresplastik mehr PR-Strategie und Imagepflege als ernsthaftes Engagement. Wenn beispielsweise ein Sportartikelhersteller einen Sneaker aus Ocean Plastic verkauft, aber den Rest seiner Produkte billig und ohne ökologische Standards weiterproduziert, kann man das Engagement schon in Frage stellen. Ein einzelnes Produkt aus Meeresplastik verändert wenig, es gilt die Produktion auf nachhaltige Standards umzustellen.
  • Billig geht's nicht: Echtes Meeresplastik ist teuer. Klingt komisch, ist aber so. Professorin Gilian Gerke von der Hochschule Magdeburg-Stendal hat mit ihren Student:innen Plastik aus dem Meer gefischt, es sortiert und gereinigt und dann Artikel daraus hergestellt. Für den gesamten Prozess müsse man einen „Riesenaufwand“ betreiben, sagt Gerke laut Onlinemagazin geo.de. Die Produktionskosten eines simplen Brieföffners, den sie aus Ocean Plastic hergestellt hatten, schätzt sie auf 200 Euro. Und oft kommt das Plastik gar nicht als Kleinteile direkt aus dem Meer, sondern von Plastikflaschen, die am Strand aufgesammelt wurden.
  • Hoher Energieaufwand: Kleidung und Schuhe aus Meeresplastik sind Expert:innen zufolge eigentlich kaum bezahlbar. „Meiner Meinung nach wäre ein Turnschuh oder ein Kleidungsstück aus 100 Prozent Meeresplastik überhaupt nicht bezahlbar“, sagt Kai Nebel, Ingenieur für textile Verfahrenstechnik an der Hochschule Reutlingen. Natürlich sei jedes Kilogramm Plastik gut, das aus dem Meer verschwindet - aber man sollte doch nicht wieder mit enormem Aufwand Plastikkleidung daraus herstellen, die kein Mensch braucht, kritisiert Nebel. Plastikrecycling könne laut dem Wissenschaftler im Sinne einer Ressourceneffizienz durchaus sinnvoll sein, sofern in einer regionalen Infrastruktur entsprechende Mengen mechanisch-thermisch recycelt würden.
  • Miese Bilanz: Bei vielen Meeresplastik-Artikeln dürfte die Energie- und Umweltbilanz wegen des Recyclingprozesses wohl schlecht ausfallen. „Würde man eine seriöse Ökobilanz machen, dann wäre diese bei Kleidung aus 100 Prozent Recycling-Material verheerend“, sagt der Wissenschaftler für Textiltechnik Nebel. Das wäre eine ökologische Katastrophe.

Das ist das Ergebnis eines internationalen Teams von Freiwilligen, das über einen Zeitraum von fünf Jahren in 84 Ländern mehr als 1,8 Millionen Plastikabfälle gesammelt und untersucht hat.

Der Fall Got Bag und Greenwashing.

Die Unternehmen, die für einen Großteil des weltweiten Plastikmülls verantwortlich sind, sind Coca Cola, Pepsi, Nestle und Danone. Da mag es fast ein bisschen unfair erscheinen, was dem Rucksack-Startup Got Bag im Jahr 2022 passiert ist. Doch der Reihe nach.

Das Mainzer Unternehmen Got Bag stellt Taschen und Rucksäcke aus „Ocean Impact Plastic“ her. Zu 100 %, so lautete das Marketing-Versprechen an die Kund:innen, bestünden die Rucksäcke aus Ozeanplastik. Also aus Plastik, das dem Meer entnommen wurde. Doch nach Recherchen der ZEIT zur Produktion der Got-Bag-Rucksäcke stellte sich heraus, dass die Artikel gerade mal zur Hälfte aus recyceltem Meeresplastik waren. Bei dem Rucksack-Modell Rolltop lag der Meeresplastikanteil gerade mal bei 59 %. Ernüchternd. Viele Influencer:innen zogen Konsequenzen und beendeten nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe ihre Zusammenarbeit mit Got Bag. Ob ein Produkt unterm Strich dem Klima nützt oder nicht, ist eine komplizierte Rechnung. Der Gründer von Got Bag gab 2022 zu, dass das Startup eine solche Lebenszyklusanalyse noch nicht gemacht hatte.

Kritik: Keine Belege, dass Recycling von Meeresplastik wirklich so ökologisch ist.

Ein weiterer Vorwurf lautete: Das Unternehmen nenne auf seiner Webseite konkrete Zahlen, die aber damals nicht belegt wurden. So spare man mit den Got Bag-Rucksäcken „3,8 Barrel Öl, 1700 Liter Wasser und über 139 Tonnen CO2-Emissionen im Vergleich zum Industrie-Standard“, hieß es. Belege zum Faktencheck fehlten damals jedoch. Und Forscher:innen kritisierten, ob das Verfahren wirklich ökologischer sei, recyceltes Meeresplastik zu verwenden. "Es gibt keinen Nachweis, dass das wirklich ökologischer ist", sagt etwa der Textilforscher Kai Nebel von der Hochschule Reutlingen.

Wildplastic geht einen anderen Weg ohne Ozean-Plastik.

Dass es noch einen anderen Weg gibt, zeigt Wildplastic. Das Hamburger Unternehmen stellt Müllsäcke aus recyceltem Plastikmüll her, die wiederum recycelbar sind. Dafür sammelt Wildplastic gemeinsam mit Partnern Plastikmüll in der Umwelt, jedoch nur an Land und nicht in den Meeren. "Das wilde Plastik, das wir nutzen, ist kein Ocean Plastic. Es passt zwar in die Definition, aber wir setzen mit unserer Arbeit an, bevor das Plastik überhaupt in Gewässer gelangt", schreibt Wildplastic. Laut eigenen Angaben sammelt auch Got Bag inzwischen Plastikmüll an Land.

9 Tipps wie du die Meere vor Plastikmüll schützt

Der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit in allen Bereichen nimmt bei vielen Verbraucher:innen seit Jahren stark zu. Ob Lebensmittel, Reisen, Kleidung oder eben ein Rucksack. Die mutmaßliche Täuschung von Got Bag war sicher nicht förderlich und hat Vertrauen zerstört. Aber zugleich war Got Bag auch Opfer des Nachhaltigkeit-Trends und hat an der einen oder anderen Stelle wohl unsauber gearbeitet. Wenn man sich gleichzeitig Großkonzerne wie Coca Cola, Pepsi oder Nestle anschaut, wirkt der Shitstorm, den Got Bag für seine eigentlich sehr ehrenhafte Geschäftsidee abbekommen hat, fast etwas grotesk. Denn der Fokus müsste vielmehr noch auf den Unternehmen liegen, die unsere Umwelt und die Meere mit Plastikmüll fluten. Got Bag, so sagt es zumindest der Gründer, hat aus dem Greenwashing-Skandal viel gelernt und ist inzwischen sogar ein zertifiziertes B Corp Unternehmen.

Polarstern macht die Isar sauber – auch 2024! 💚 🐟

Damit unsere Flüsse sauberer werden, krempeln wir bei Polarstern die Ärmel hoch: einmal jährlich heißt es bei uns Isar CleanUp! Zusammen mit vielen Verbänden, Partnern und Unternehmen befreien wir die Isarufer von Kronkorken, Kippen oder Verpackungen von Grillabenden. Wer in München oder im Umkreis wohnt, kann einfach mitmachen – für Snacks und Getränke sorgen wir! Wir freuen uns auf deine Unterstützung! Infos und den jährlichen Termin für den Polarstern Isar CleanUp findest du auf unserer Webseite.

Alle Infos zum Polarstern Isar CleanUp

Gemeinsam für eine saubere Isar: Beim Isar CleanUp von Polarstern kann jede:r mitmachen.

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Der Isar CleanUp ist keine Lokalaktion – denn ein Fluss fließt. Und er trägt unseren Müll flussabwärts bis in die Weltmeere. Es ist wie mit dem Energieverbrauch. Auch der betrifft immer die ganze Welt. Wer auch da aufräumen – und von seinem Wohnort aus das Klima schützen will: Mit dem Wechsel zu echter, zertifizierter Ökoenergie geht das ganz schnell.

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Ludwig. | Team Wirklich

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Ludwig ist ausgebildeter Journalist und hat viele Jahre bei einem großen Medienhaus in München gearbeitet. Bei Polarstern ist er Redakteur im Marketing-Team und schreibt Artikel für das Polarstern-Magazin und Neuigkeiten für unsere Newsletter. Außerdem kümmert er sich um Events wie die Earth Hour und den Isar Cleanup.