Vom Fluss auf deinen Teller und zurück: Der verhängnisvolle Weg des Mülls.
Schöne Sonnenuntergänge sind am Meer allgegenwärtig. Leider genauso wie "Müllinseln". Der weltweit größte Müllstrudel, der Great Pacific Garbage Patch im Nordpazifik, ist ein mahnendes Beispiel. Woher kommt der Plastikmüll? Welche Flüsse gehören zu den schmutzigsten der Welt? Wie viel Plastikmüll liegt in den Meeren? Und warum ist ein Professor 2.700 Kilometer durch die Donau geschwommen? Hier gibt's Antworten.
von Ludwig. - Lesezeit: 6 Minuten
Wie viel Müll von kleinen Gewässern in Europa und anderswo in die Meere gelangt, wird unterschätzt. Das haben Forscher der University of Cadiz und der European University of the Seas in Puerto Real/Spanien in einer Studie 2021 betont. In mehr als 700 Untersuchungen analysierten sie den Abfall in europäischen Flüssen und küstennahen Becken, darunter waren auch drei deutsche Gebiete an der Nordsee. Das Ergebnis: Ein Großteil des Mülls in den Flüssen stammt demnach von To-go-Essen, Tüten und Verpackungen. Dabei würde der Einfluss kleinerer Flüsse auf das Müllaufkommen unterschätzt. Schließlich seien diese mit durchschnittlich 217 Einwohnern pro Quadratkilometer dichter besiedelt als die großen Flüsse mit 87 Einwohnern pro Quadratkilometer.
Studie: Viel Plastik in deutschen Flüssen wie Rhein und Donau.
Schon 2018 zeigten Forscher:innen vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie, wie verschmutzt Rhein und Donau sind, zwei der längsten Flüsse Europas. An allen Messstellen wurden Kunststoffpartikel gefunden, so dass von einer „zivilisatorischen Grundlast von Kunststoffpartikeln in den Gewässern ausgegangen werden kann“, so das Fazit der Studie.
Für die Untersuchung, die vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie koordiniert wurde, analysierten Forscher:innen Wasserproben aus 52 Messpunkten an 25 Flüssen im Einzugsgebiet von Rhein und Donau. Das Ergebnis: Kein einziger beprobter Fluss war unbelastet. An allen Messpunkten wiesen die Forschenden Mikroplastik nach. Insgesamt fanden sie 4.335 Kunststoffpartikel, davon 99 % kleiner als fünf Millimeter. Eine weitere Studie der Universität Basel zum Rhein spricht von 25 bis 30 kg Mikroplastik, die der Fluss täglich transportiert. Das wären 10 Tonnen im Jahr, so die Basler Studie. Die Studien zeigen, warum die Verschmutzung der Meere schon in unseren Städten und Flüssen beginnt – und wieso wir die Flüsse unbedingt sauber halten müssen. Cleanups, wie der von Polarstern an der Isar (die über die Donau ins Meer fließt), haben also einen großen Nutzen.
Polarstern macht die Isar sauber – auch 2024! 💚 🐟
Damit unsere Flüsse sauberer werden, krempeln wir bei Polarstern wirklich die Ärmel hoch: einmal jährlich heißt es bei uns Isar CleanUp! Zusammen mit vielen Verbänden, Partnern und Unternehmen befreien wir die Isarufer von Kronkorken, Zigaretten oder Wurstverpackungen von Grillabenden. Aber auch größeren Müll wie kaputte Fahrräder angeln wir jedes Jahr aus der Isar. Wer in München oder im Umkreis wohnt, kann einfach mitmachen – für Snacks und Getränke sorgen wir! Wir freuen uns auf deine Unterstützung! Infos und den jährlichen Termin für den Polarstern Isar CleanUp findest du auf unserer Webseite.
Mehr über den Polarstern Isar CleanUpPlastikmüll in unseren Flüssen: So kommt er rein.
Wenn wir über Plastikmüll in unseren Meeren sprechen, müssen wir (auch) über China reden. Kein Fluss spült weltweit mehr Schmutz und Plastik in unsere Meere als der Jangtse. Der riesige chinesische Fluss ist rund 6.380 Kilometer lang und mündet bei Shanghai ins Ostchinesische Meer, nachdem er durch zahlreiche chinesische Megastädte geflossen ist. Zu den schmutzigsten Flüssen der Welt gehören auch der Indus in Pakistan und Indien und der Gelbe Fluss ebenfalls in China. Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf haben dazu Daten von 1.350 Flüssen ausgewertet.
Besonders schockierend ist diese Zahl: Das Gesamtgewicht der Plastikteilchen, die alle Flüsse ins Meer befördern, wird auf bis zu vier Millionen Tonnen pro Jahr geschätzt. Das wäre etwa die Hälfte der Gesamtmenge an Plastik, die nach Schätzungen jährlich in die Ozeane gelangt. Der Rest wird beispielsweise vom Wind ins Meer geweht oder gezielt hineingekippt. Auch der Schiffsverkehr verschmutzt die Meere. Wieso aber landet überhaupt so viel Plastikmüll im Meer?
Häufigste Herkunft und Ursachen von Müll, Plastikmüll und Mikroplastik:
- Abwässer, die in Flüsse gelangen.
- Fehlende oder schlechte Recyclingsysteme bzw. gar keine Müllsammlung.
- Weggeworfene Zigaretten.
- Abrieb von Reifen und Asphalt.
- Starkregenereignisse, die für Einträge (Erde, Müll, etc.) sorgen.
- Unzureichende Klärung in Kläranlagen.
- Regen, der Müll an Bächen und Flussufern in Gewässer spült.
- Kunststoffprodukte wie Kosmetikverpackungen.
- Kleidung und Textilien mit Kunstfasern.
- Verpackungen aller Art.
- Ungesicherte oder illegale Mülldeponien.
- Tourismus an Land und am Meer.
- Verlorene Fischernetze (Geisternetze) in Flüssen und Meeren.
Zu den Gründen für den Mikroplastik-Eintrag tragen auch mangelhafte Umweltstandards bei. Recycling ist eine komplexe Angelegenheit und das Bewusstsein dafür nicht überall gleich. Umso schlimmer ist es, dass Europa oft den eigenen Müll in ärmere Länder etwa in Asien verkauft, die sich dann um die Entsorgung unseres Mülls kümmern. Insofern ist der Müll asiatischer Länder oft auch unser Müll. Ein schmutziger Handel, der überhandgenommen hat. Die EU-Kommission hat nun beschlossen, den Müllexport in ärmere Länder künftig zu erschweren und so die Müllexporte zu stoppen.
Recycling: Ein Märchen für das gute Gewissen?Der Müll darf erst gar nicht ins Meer gelangen.
Laut der Meeresschutz-Initiative „The Ocean Cleanup“ sind 1.000 Flüsse weltweit, also rund 1 % aller Flüsse, für 80 % der Plastikmüllverschmutzung der Meere verantwortlich. In Guatemala setzte „The Ocean Cleanup“ ein neues Verfahren mit einem Müllzaun am stark verschmutzten Rio Motagua ein. Der Rio Motagua gilt derzeit als der dreckigste Fluss der Welt und ist der Umweltorganisation zufolge für 2 % (!) des weltweiten Plastikmülls in den Ozeanen verantwortlich. Krass, oder? Dieses Video zeigt eindrucksvoll, wie der Müllzaun mitten im Flussbett einen gigantischen Strom von Müll zurückhält. Nachdem der erste Versuch etwas missglückte, wurde 2023 ein neues Verfahren eingeführt, um Müll aus dem Rio Las Vacas zu fischen. Laut "The Ocean Cleanup" konnten im Frühjahr 2023 in nur zweieinhalb Monaten mehr als 850.000 Kilogramm Müll aus dem Fluss in Guatemala gefischt werden – der so nicht ins Meer gelangte. Der Einsatz am Rio Las Vacas geht auch 2024 weiter.
"Beispielloses Ausmaß": Ozeane versinken im Plastikmüll.
Einer Studie von März 2023 zufolge treiben derzeit rund 170 Billionen Plastikteilchen in unseren verschmutzten Meeren. Die Plastikverschmutzung der Weltmeere habe ein "beispielloses Ausmaß" angenommen, schreiben die Forschenden. In der folgenden Grafik aus dem Jahr 2017 ist gut zu sehen, dass vor allem der Pazifik unter enormen Mengen an Plastikmüll leidet, aber auch der Indische Ozean ist stark belastet. Ebenfalls betroffen sind die Küsten und Flüsse Mittelamerikas.
Neueste Studie geht von bis zu 11 Millionen Tonnen Plastikmüll aus.
Viel Plastikmüll sinkt in die unendlichen Tiefen der Weltmeere ab, dort sind die letzten Ruhestätten des Mülls. Aufgrund des kaum vorhandenen Sauerstoffs und der nicht existierenden UV-Strahlung direkt am Meeresboden lagert der Müll dort quasi ewig, sagen Forschende. Eine Studie aus 2024 sollte uns zu denken geben.
Die Plastikverschmutzung auf dem Meeresboden könnte demnach Schätzungen zufolge bis zu 100-mal größer sein als die Menge Plastik, die an der Meeresoberfläche schwimmt. Etwa die Hälfte (46 %) der Plastikmasse befindet sich den Ergebnissen zufolge oberhalb von 200 Metern Wassertiefe, der Rest (54 %) in den Meerestiefen von bis zu 11.000 Metern. Insgesamt lägen auf dem Grund der Ozeane schätzungsweise 3 bis 11 Millionen Tonnen Plastikmüll, ergab die Studie der australischen Wissenschaftsbehörde Csiro und der University of Toronto.
Verkaufs-Verbot von Produkten mit Mikroplastik in der EU seit 2023.
Einen Lichtblick gibt es: 2023 hat die EU-Kommission den Verkauf von Produkten verboten, denen bewusst Mikroplastik zugesetzt wurde oder die bei Gebrauch Mikroplastik freisetzen. Die EU-Vorschriften würden die Freisetzung von fast einer halben Million Tonnen der winzigen Kunststoffpartikel in die Umwelt verhindern, teilte die Kommission mit. Das Verbot betrifft Plastikpartikel, die kleiner als fünf Millimeter, nicht löslich und schwer abbaubar sind. Auch Waschmittel, Dünge- und Pflanzenschutzmittel, Spielzeug und Arzneiprodukte dürfen künftig kein Mikroplastik mehr enthalten.
Wie Mikroplastik in unserem Körper landet.
Noch sind die Folgen von Mikroplastik im menschlichen Körper weitgehend unerforscht. Sicher ist jedoch, dass Mikroplastik bereits im menschlichen Körper nachgewiesen wurde. Erst kürzlich haben Forschende der Vrije Universiteit Amsterdam winzige Plastikpartikel im menschlichen Blutkreislauf gefunden. Kein Wunder kann man denken, schließlich sind sie in Lebensmitteln längst nachgewiesen. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat Mikroplastik zum Beispiel in Mineralwasser nachgewiesen. Am Ende landet als der Müll über die Nahrungskette, über Flüsse, Meere, Fische letztlich auf unserem Teller und in unseren Körper. Ja pfui! Da ist es eigentlich auch schon fast egal, ob es wissenschaftlich erforscht ist, sowas klingt eher unappetitlich.
Mikroplastik: Was man wissen sollte.
Der Mensch kann Mikroplastik über die Luft, das Trinkwasser, Lebensmittel, Staub und kosmetische Mittel aufnehmen, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schreibt. Während des Kochens und Essens kann Mikroplastik ebenfalls in die Lebensmittel gelangen. Und das passiert so: Aus kunststoffhaltigen Textilien wie Fleece oder Nylon lösen sich durch das Tragen kleinste Fasern, die als Mikroplastik betrachtet werden. Zur Aufnahme könnten aber auch kosmetische Mittel beitragen, wo es unter anderem in Duschgels oder Peelings vorkommt. Dass die Teilchen über die Haut in den Körper gelangen, sei nach aktuellem Stand der Forschung aber eher unwahrscheinlich.
Derzeit lässt sich die Frage, ob Mikroplastik zu Schäden oder Krankheiten im menschlichen Körper führt, nicht abschließend beantworten. Gesund ist es aber sicher nicht. Forschende haben untersucht, welche Effekte Mikroplastik auf Tiere haben kann. Sie fanden Folgendes heraus:
- Durch feste Partikel sind Schäden im Magen-Darm-Trakt möglich.
- Gleichzeitig erschweren die Teilchen die Nahrungsaufnahme.
- Mögliche Folgen sind Beeinträchtigungen der Fortbewegung, des Wachstums und der Fortpflanzung.
Quelle: AOK
Schutz für Flüsse und Meere: So vermeidest du (Kleinst-)Müll.
Plastik und Kunststoffe gibt‘s überall in unserem Alltag. Die größten und schlimmsten Verursacher sind oft Industrie und Wirtschaft, wie die Fischerei mit ihren Geisternetzen. Doch auch wir als Verbraucher:innen müssen darauf achten, dass kein Müll in Flüsse und Meere gelangt und wir Plastik im Supermarkt öfter die rote Karte zeigen.
Wenn viele Millionen Menschen ihren Beitrag leisten, ist der Impact am Ende wirklich groß.
☝️ Tipps für weniger Müll in und an unseren Flüssen.
- Kauf gar nicht erst Getränke in Kunststoff- bzw. Einwegflaschen oder Plastikartikel (der Verkauf von Artikeln mit Mikroplastik ist in der EU seit 2023 verboten).
- Nimm stattdessen Mehrwegflaschen oder wenn möglich deine eigene Trinkflasche.
- Nimm deinen ganzen Müll mit, auch kleine Dinge wie Kronkorken gehören dazu. Eh klar.
- Weise andere Leute darauf hin, wenn sie etwas liegenlassen.
- Nimm auch fremden Müll mit, wenn du ihn siehst. Es ist letztlich unser aller Müll.
- Kaufe Produkte wie Kleidung oder Schmuck, die aus Plastikmüll produziert wurden.
- Beteilige dich bei CleanUp-Aktionen in deiner Stadt wie dem Polarstern Isar CleanUp.
Warum ein Professor 2.700 km in der Donau geschwommen ist.
Andreas Fath ist Chemie-Professor an der Hochschule Furtwangen und weiß, dass die Donau stark durch Müll wie Mikroplastik belastet ist. Die Donau schwemmt jeden Tag 4 Tonnen Plastik in das Schwarze Meer. Um darauf aufmerksam zu machen, schwamm Fath im Frühjahr 2022 knapp 2.700 Kilometer die Donau flussabwärts – von Ulm bis zur Mündung am Schwarzen Meer. „Wenn man Menschen erreichen will, braucht man ein verrücktes Projekt“, sagt Fath über das Projekt Clean Danube, der auch schon im Rhein geschwommen ist, um auf Umweltverschmutzung aufmerksam zu machen.
Der "Schwimmende Professor" weiter: "Gewässer werden vor allem durch Abwässer großer Städte gerade auch Krankenhausabwässer und Medikamentenrückstände von Privathaushalten, der Agrarwirtschaft und Abwässer der Industrie verschmutzt. Die Folge ist Umweltverschmutzung, die Zerstörung von natürlichen Lebensräumen, Artensterben, Gesundheitsrisiken und Resistenzen, bspw. gegen Antibiotika."
Fotos: Cleandanube
Zwischen Wien und Bratislava seien mittlerweile mehr Plastikpartikel als Fischlarven zu finden, berichtet er. Unterwegs hat Fath in der Donau zahlreiche Wasserproben genommen, mit denen der Professor Werte wie Temperatur, pH-Wert, Nitratbelastung und Sauerstoffgehalt überprüft hat. So entstand eine ausführliche Dokumentation der Donau. Die Ergebnisse der Analysen wurden der Öffentlichkeit online zugänglich und verständlich gemacht.
Mit Ökostrom von Polarstern hilfst du Flüssen & Ozeanen.
Der Schutz unserer Flüsse ist für die Meere, für die Flüsse selbst und natürlich für die Umwelt allgemein enorm wichtig. Neben der Verschmutzung durch Schadstoffe und Plastik setzt ihnen auch der Klimawandel arg zu. Steigende Temperaturen, Dürren und extrem warme Sommer sorgen für große ökologische Probleme in den Gewässern. Auch dagegen kannst du was tun! Wechselst du zum mehrfach ausgezeichneten Ökostrom von Polarstern, ersparst du dem Klima mehrere hundert Kilogramm CO2 pro Jahr und tust was gegen die Erderwärmung. Für mehr Energiewende und weniger Blabla. Wirklich.