Warum nachhaltige Lieferketten immer wichtiger werden und wie du sie erkennst.
Das T-Shirt aus Bangladesch, die Espressobohnen aus Guatemala. Mit der Globalisierung unserer Wirtschaftskreisläufe ist es normal geworden, dass ein Shirt bis zu 18.000 Kilometer reist, bis es bei uns im Laden liegt. Doch seit Corona hat ein Umdenken eingesetzt, lokale Lieferketten werden gefragter. Wir sagen, warum sich diverse und "glokale" Lieferketten lohnen, wie man als Unternehmen darauf achten kann – und welche große Modemarke ihre Jeans zum Teil wieder in Deutschland produziert.
von Ludwig. - Lesezeit: 12 Minuten
Was hast du im Alter von 13 Jahren gemacht? Vermutlich viel mit deinen Freund:innen gespielt und die Schule besucht. „Ich habe mit 13 Jahren angefangen, hier zu arbeiten. Ich arbeite etwa neun Stunden pro Tag, wenn viel los ist, sogar 13 Stunden.“ Das sagt ein 17-jähriger Junge aus dem Kongo, der laut der Kinderrechtsorganisation Save the Children in einem Familienbetrieb arbeitet.
Globale Lieferketten sind schwer zu durchschauen – und für Millionen Kinder weltweit eine ruinierte Zukunft. Das Risiko von Kinderarbeit ist „in globalen Lieferketten allgegenwärtig“, zeigt eine Studie von Save the Children aus 2023. Statt Fortschritte beim Schutz Minderjähriger beobachtet die Kinderrechtsorganisation das Gegenteil: In vielen globalen Lieferketten habe die Ausbeutung weiter zugenommen. Laut einer Auswertung werden Kinder weiterhin massiv in den Lieferketten von Produkten wie Kaffee, Kakao, Kleidung, Tee, Haselnüssen und Pfeffer ausgebeutet.
Warum die Wirtschaft faire und ökologische Lieferketten braucht.
Etwa 80 % aller Waren, die auf der Welt gehandelt werden, gehören zu einer globalen Wertschöpfungskette. Das hat Konsequenzen: Viele Rohstoffe und Produkte werden unter schlechten oder gar illegalen Umwelt- und Arbeitsbedingungen abgebaut und hergestellt. Oft auch von Kindern. Wusstest du, dass weltweit 79 Millionen Mädchen und Jungen von ausbeuterischer Kinderarbeit betroffen sind? Und dass vom Preis eines Marken-Shirts nur 0,6 % an die Person gehen, die es genäht hat? Wirklich fair klingt das nicht.
Was Unternehmen also von wem und unter welchen Umständen produzieren lassen, entscheidet auch, wie nachhaltig die Wirtschaft bei uns ist. Oft findet nur der letzte Verarbeitungsschritt der Ware in Deutschland statt oder gar nichts, weil die Ware komplett aus dem Ausland kommt. Was wir am Ende im Supermarkt, im Online-Shop für Fashion oder beim Metzger um die Ecke kaufen, hat also meist eine lange Geschichte. Die ganzen Lieferketten, Zulieferer, Umweltstandards und Herkunftsnachweise sind für uns Verbraucher:innen oft nicht nachvollziehbar. Der Welthandel ist durch die Globalisierung komplex und intransparent geworden. Und durch das Streben nach Gewinnmaximierung wird der Kostendruck immer weitergereicht in der Lieferkette, von Lieferant zu Zulieferer. Einen großen Kostenblock machen im Übrigen oft die Lohnkosten aus, weswegen Produktionen ins Ausland verlagert wurden (sog. Offshoring).
Doch die Zeiten ändern sich. Zum Glück. Spätestens Corona hat uns vor Augen geführt, dass das System der globalen Lieferketten vielleicht doch einige Bugs hat, die nicht eben mit einem Update zu beheben sind. Kriege und Krisen haben gezeigt, dass globale Abhängigkeiten und der Schiffstransport von Waren rund um den Globus mit Risiken für Unternehmen verbunden sind.
Die wichtigsten Vorteile einer fairen und umweltverträglichen Lieferkette.
Wie achtet man auf eine nachhaltige und faire Lieferkette?
Als Unternehmen ist es nicht erst seit dem neuen EU-Lieferkettengesetz wichtig, auf nachhaltige Lieferketten und Lieferanten zu achten. In der Praxis ist das leichter gesagt als getan. Hast du ein Unternehmen, kannst du auf diese Punkte achten, um eine nachhaltige, faire und ökologische Lieferkette bei deinen Partnern sicherzustellen.
Lieferantenbewertung und -auswahl.
Der Check von Nachhaltigkeitskriterien sollte von Beginn an ein integraler Bestandteil des gesamten Lieferantenmanagements werden. Eine Lieferantenbewertung sollte daher nicht nur Kriterien wie Preis, Qualität und Lieferzeit umfassen, sondern auch soziale und ökologische Faktoren. So kann man sicherstellen, dass Lieferanten den gleichen Anspruch an Nachhaltigkeit haben wie dein Unternehmen. Die Bewertung von Lieferanten kann auch dazu beitragen, die Transparenz in der Lieferkette zu erhöhen oder bei einer schlechten Bewertung schnell zu reagieren. Wir bei Polarstern befragen unsere Lieferanten bspw. zu nachhaltigen Kriterien.
Beschaffung und Einkauf.
Für fast alle Dinge, die in Unternehmen und Kommunen gebraucht werden, gibt es nachhaltige Produkte. Man muss sie zum Glück nicht alle mühsam zusammenrecherchieren, dafür gibt es Initiativen wie den Kompass Nachhaltigkeit. Das Webportal listet alles, was Unternehmen, Organisationen und Kommunen zum Arbeiten brauchen – von Arbeitsmaterialien und -geräten, über Putzmittel bis zu Hygieneartikeln. Dort findest du auch einen Gütezeichenfinder für verschiedenste Branchen und Produkte, um nachhaltige Artikel beim Einkauf zu erkennen.
Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen durch externe Stellen.
Klingt sperrig, aber: Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen sind Schlüsselelemente bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit in Lieferketten. Sie dienen dazu, soziale und ökologische Risiken wie unfaire Bezahlung oder Umweltzerstörung zu identifizieren. Diese Prüfungen kann man entweder selbst durchführen, wenn man die Kapazitäten und Erfahrungen dafür hat, oder von externen Dienstleistern machen lassen. Beide Optionen haben Vor- und Nachteile, für die Glaubwürdigkeit einer Firma nach außen ist es aber besser, wenn solche Prüfungen von unabhängigen Stellen durchgeführt werden. Die Ergebnisse der Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen können auch dazu genutzt werden, um die Zusammenarbeit mit den Lieferanten zu verbessern.
Persönliche Beziehungen pflegen.
Schwieriger wird die Verbesserung der Lieferkette, je weiter sie sich vom eigenen Firmenstandort entfernt. Das betrifft zum Beispiel die Textilbranche, wo Lieferketten lang und komplex sind, und häufig mit hohen ökologischen und sozialen Kosten verbunden sind. Da ist es entscheidend, mit Zulieferern zu arbeiten, die man kennt, die schnell reagieren und offen mit einem umgehen, kurz: Man braucht Menschen, denen man vertrauen kann. Klar, das ist nicht überall möglich, aber wo auch immer es geht, solltest du als Unternehmer:in persönliche Kontakte als Teil deiner Lieferkette nutzen.
11 Tipps für eine grüne LieferketteNicht zuletzt: Saubere Energie beziehen.
Bei der Zulieferung von Rohstoffen oder dem Einkauf von Büromaterialien ist die nachhaltige Lieferkette genauso wichtig wie bei Energie. Jedes Unternehmen ist auf Strom und Wärme angewiesen. Gerade in manchen energieintensiven Branchen ist der Energieverbrauch sogar ein riesiger Teil der Produktionskette. Viele Unternehmen haben schon innovative Energiekonzepte und nutzen Photovoltaik. Der Chemiekonzern BASF investiert nach eigenen Angaben zum Beispiel auch in eigene Anlagen für erneuerbaren Strom. Um auch in puncto Energie wirklich nachhaltig zu sein, sollten Unternehmen echte Ökoenergie beziehen. Polarstern bietet für Unternehmen Gewerbestrom und Gewerbegas. Außerdem setzen wir für Gewerbekunden auch Gewerbesolar um.
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Zertifikate und mehr: Auf was du achten kannst für nachhaltige Lieferketten.
Unternehmen können eine nachhaltige Lieferkette zum Beispiel anhand gewisser Standards und Zertifikate sicherstellen. Die Webseite Kompass Nachhaltigkeit gibt einen Überblick über Gütezeichen, Initiativen und globale Produktstandards. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel Arbeitskleidung für Mitarbeiter:innen braucht, kann man über den Kompass Nachhaltigkeit nach konkreten Textilstandards suchen.
Und als Verbraucher:in? Noch ein Tipp, um Unternehmen mit nachhaltiger Lieferkette zu finden, sind Zertifikate ganzer Unternehmen. Am wichtigsten und bekanntesten sind hier die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) und die B Corp-Zertifizierung. Polarstern ist GWÖ-Mitglied und seit 2023 auch ein zertifiziertes B Corp-Unternehmen. Hat ein Unternehmen eines dieser Zertifikate, kannst du als Geschäftspartner oder Kund:in sichergehen, dass dort soziale, ethische und ökologische Standards mindestens eingehalten oder sogar oft übererfüllt werden. Kaufe also am besten bei GWÖ- oder B Corp-Unternehmen.
1. Das zeichnet Gemeinwohl-Unternehmen aus.
- Menschenwürde in der Lieferkette und am Arbeitsplatz
- Solidarität und Gerechtigkeit in der Lieferkette
- Ethische Kundenbeziehungen
- Ökologische Nachhaltigkeit in allen Bereichen
- Sozial-ökologische Investitionen und Mittelverwendung
- Mitentscheidung in der Lieferkette
- Förderung des nachhaltigen Verhaltens von Mitarbeitenden
2. Das zeichnet B Corp-Unternehmen aus.
B Corporations bekennen sich nicht nur zu ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung, sondern handeln auch danach. In einem Testverfahren lassen sie Unternehmensführung, Mitarbeiterrechte, sowie Auswirkungen ihres Wirtschaftens auf Umwelt, Gesellschaft und Kund:innen messen. Seit der Gründung im Jahr 2006 gibt es mittlerweile in mehr als 70 Ländern über 5.000 zertifizierte B Corporations, darunter Patagonia, Soulbottles und auch wir von Polarstern.
Erfahre mehr zum Social Business3. Social Businesses unterstützen.
Auch einem Social Business geht es nicht primär um den Gewinn, sondern darum, bei der Lösung eines gesellschaftlichen Problems mitzuwirken. Es geht ihm um Themen wie Klimawandel, Armut oder Bildung. Wer die Dienstleistung oder das Produkt eines solchen Unternehmens kauft, investiert damit gleichzeitig in eine größere, gute Sache. In der Lieferkette wird – in der Regel – konsequenterweise auch auf mehr Nachhaltigkeit geachtet. Um dir die Suche zu vereinfachen, haben wir eine Landkarte erstellt, auf der viele Hundert Social Businesses aus ganz Deutschland abgebildet sind. Gib einfach in die Suchmaske ein, für welche Branche du dich interessierst – und zoome dann in deine Region.
Finde ein Social Business in der Nähe4. Herkunftsnachweise beachten – auch bei Ökostrom.
Egal ob du Fleisch oder Kaffee kaufst, ein T-Shirt oder Strom: Für nahezu alle Produkte und Waren gibt es Herkunftsnachweise und Siegel. Immer mehr Verbraucher:innen wollen das auch. In der Textilindustrie etwa sollen die Siegel Fair Wear und das Ökotex-Zertifikat Produktionsstandards sicherstellen. Während Fair Wear die Arbeitsbedingungen der Menschen in Fabriken verbessern soll, richtet sich der Fokus bei Ökotex auf schadstoffarme/-freie Textilprodukte.
Auf Herkunftsnachweise zu achten, lohnt sich immer. Bei Energie kannst du zum Beispiel auf Energieversorger achten, die das Grüner Strom Label haben. Das Ökostrom-Siegel der Umweltverbände in Deutschland garantiert dir wirklich echten Ökostrom ohne Etikettenschwindel, mit dem du aktiv den Ausbau der erneuerbaren Energien in Form neuer Windkraft- und Solaranlagen unterstützt. Auch Wirklich Ökostrom von Polarstern ist mit dem Grüner Strom-Label zertifiziert und mehrfach ausgezeichnet.
Hol dir ausgezeichneten Ökostrom5. Lokal ist fast immer besser als global.
Neben Herkunftsnachweisen, GWÖ und B Corp gibt es noch eine wichtige Faustregel, um auf nachhaltige und faire Lieferketten zu setzen: je näher der Ursprung des Produkts, desto besser. Dann fallen nicht nur lange und energieaufwendige Transportwege weg – die Lieferkette wird auch viel überschaubarer und du kannst besser nachvollziehen, wer, wann, wie an deinem Produkt mitgewirkt hat. Außerdem gibt es – im Vergleich zu anderen Ländern – in Deutschland und in der EU strengere Regeln, wenn es um Arbeitsbedingungen und Bezahlung geht.
Nachhaltige Lieferketten auf globaler Ebene.
Machen wir uns nichts vor: So schnell wird sich die Weltwirtschaft nicht umstellen und manche globale Abhängigkeiten lassen sich allein deswegen nicht auflösen, weil es Rohstoffe nun mal nicht in jedem Land gibt. Ein Beispiel: Das begehrte Lithium für Akkus von E-Autos und Smartphones ist nicht überall auf der Welt vorhanden, sondern nur in einigen wenigen Ländern.
EU-Lieferkettengesetz in abgeschwächter Form beschlossen.
Was also tun? Ein Ansatz ist das neue EU-Lieferkettengesetz, das 2024 nach langem Streit und mit vielen Kompromissen verabschiedet wurde. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass europäische Unternehmen mit einer Mitarbeiterzahl ab 1000 Beschäftigten die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten sicherstellen. Unternehmen müssen nun europaweit dokumentieren, dass von ihnen importierte Produkte dort nicht unter Kinderarbeit oder Umweltschäden entstehen. Das Gesetz soll die Menschenrechte und die Umwelt schützen, wie genau aber die Kontrolle der Einhaltung aussieht, steht auf einem anderen Papier.
Zudem stellen sich Fragen, wie die Dokumentation der Lieferketten und Lieferanten durch die Unternehmen aussehen soll. Sollen die Unternehmen das selbst dokumentieren oder externe Agenturen und Berater:innen beauftragen, die aber womöglich mit anderen Standards auf die Menschenrechtssituation vor Ort blicken? "Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass einem Unternehmen von einem Dritten ein falsches oder ein unvollständiges Bild von der Einhaltung der Menschenrechts- oder Umweltstandards übermittelt wird", sagt Matthias Mainz von der IHK NRW dem WDR. Insofern komme auf Firmen mitunter ein Nachkontrollaufwand zu. Dennoch begrüßen Expert:innen, dass die Politik nun auf EU-Ebene ein solches Lieferkettengesetz beschlossen hat. Damit kommen konkrete Verpflichtungen auf Unternehmen zu.
Verpflichtungen & Verbote des EU-Lieferkettengesetzes.
Das neue EU-Lieferkettengesetz hat Vorteile und bringt hoffentlich Verbesserungen. Dennoch weist die Initiative Lieferkettengesetz darauf hin, dass das Gesetz auch Nachteile hat. Nur drei Punkte:
Nachteile des EU-Lieferkettengesetzes.
Laura Niederdrenk von WWF Deutschland begrüßt, dass es überhaupt eine Einigung zum Lieferkettengesetz gab. Die abgeschwächte Version "sendet allerdings ein fatales Signal an alle Menschen, die nun weiterhin unter Missständen in den Wertschöpfungsketten leiden müssen." Die Wirtschaft hat Sorge vor zu viel Bürokratie. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht das EU-Gesetz kritisch. Auch leicht abgespeckt bleibe die EU-Lieferkettenrichtlinie wenig praxistauglich und werde viel Bürokratie mit sich bringen, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian.
Diversifizierte Lieferketten werden wichtiger – und lohnen sich.
Kriege wie der in der Ukraine oder auch der Nahost-Konflikt und damit einhergehende Sanktionen gegen bestimmte Länder sind für Unternehmen ein Risiko. Von einem auf den anderen Tag kann plötzlich die gesamte Lieferkette mit einem anderen Unternehmen zusammenbrechen. Diese geopolitischen Zwickmühlen gehören in der Weltwirtschaft dazu und lassen sich kaum vermeiden; außer ein Unternehmen hat wirklich nur eine regionale oder lokale Lieferkette. Expert:innen beobachten seit einigen Jahren den Trend zur Deglobalisierung und Diversifizierung von Lieferketten.
Eine Studie aus dem Jahr 2023 zeigt, dass es nicht nur Sinn macht, als Unternehmen eigene Lieferketten zu diversifizieren, sondern dass es sich auch wirtschaftlich lohnen kann. Die Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt: Unternehmen seien betriebswirtschaftlich sogar erfolgreicher, wenn sie ihre Lieferketten diversifizieren. Unternehmen würden dann „krisenresistenter“ etwa im Falle von Kriegssituationen, so die Studie. „Anhand unserer Daten lässt sich bereits vor der aktuellen geopolitischen Situation ein positiver Zusammenhang zwischen Diversifizierung und Unternehmenserfolg nachweisen. Und das gilt für kleinere und größere Unternehmen gleichermaßen“, erklärt einer der Studienautoren.
Lohngefälle zwischen Industrienationen und einigen Schwellenländern schrumpft.
Es lohnt sich also, wenn man als Unternehmen globale Lieferketten aufbricht und auf regionale oder lokale Ketten und Lieferanten setzt. Deglobalisierung oder auch Glokalisierung lauten die etwas holprigen Stichwörter. Ein Trend geht auch deswegen dahin, weil sich in einigen Schwellenländern in Asien die Lohnverhältnisse immer mehr denen von Industrienationen angeglichen haben. Und die Lohnkosten sind nach wie vor ein schlagendes Argument. Das einst große Gefälle bei den Lohnkosten zwischen Asien und Europa schrumpfe immer mehr, schreibt das Magazin Good Impact. Auch deshalb denken Unternehmen über Reshoring nach.
Was bedeutet Reshoring?
Der Begriff Reshoring steht für die Rückverlagerung von Produktionsstätten aus Schwellenländern wie China oder Vietnam zurück in Industriestaaten. Er bezeichnet somit das Gegenteil von Offshoring, also der Verlagerung von Wertschöpfung und Prozessen ins günstigere Ausland. Seit einigen Jahren ist ein Trend zum Reshoring zu beobachten, zum Teil, weil die Automatisierung die teureren Löhne zu einem Randproblem werden lässt. Aber auch weil in manchen Schwellenländern die Löhne gestiegen sind.
C&A und Reshoring: Modekonzern produziert Jeans wieder in Deutschland.
Ein Beispiel für Reshoring ist C&A. Seit 2022 produziert das 1841 gegründete Modeunternehmen wieder Jeans in Deutschland, teils automatisiert, was weniger Personalkosten bedeutet. In Mönchengladbach testet C&A quasi die Deglobalisierung und glokale Lieferketten. Vielleicht eine Blaupause für weitere Firmen. "59 Euro für eine Jeans aus Mönchengladbach ist doch supergut", sagt die C&A-Chefin Giny Boer in einem Interview. Wirtschaftlich lohnt sich die Jeans-Produktion für das Unternehmen in Deutschland aber nur, wenn die Arbeit zum Teil von Maschinen gemacht wird. „Durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine hat die Branche gespürt, wie unsicher ihre Lieferketten sind“, sagt Katrin Freier, Professorin für Bekleidungsentwicklung an der Hochschule Niederrhein, dem Magazin Good Impact.
Warum wir globale und lokale Lieferketten zusammendenken sollten.
Ein bisschen ist C&A wohl auch zur Deglobalisierung gezwungen gewesen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es mit den Lieferketten, die sonst immer „just in time“ und geschmiert wie ein guter Motor liefen, auch ganz schnell vorbei sein kann. Die Globalisierung wankt – und wird inzwischen kritischer gesehen. Während Corona etwa haben sich Lieferzeiten extrem verlängert, Produktionen wurden heruntergefahren oder zeitweise ganz gestoppt und Schiffe lagen wochenlang in den Häfen. Corona habe laut Böckler-Stiftung bewiesen, "wie verletzlich moderne Volkswirtschaften durch die Internationalisierung von Lieferketten und die Auslagerung der Produktion systemrelevanter Güter geworden sind." Ein Beispiel, warum die Abhängigkeit globaler und wenig diversifizierter Lieferketten ein Problem ist: Im Juli 2022, also kurz nach der Pandemie und wenige Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, meldeten einer Umfrage des Ifo-Instituts zufolge 73 % der deutschen Unternehmen Materialengpässe. Eine krasse Zahl, die wie auch die folgenden Punkte zeigt, dass wir globale und lokale Lieferketten besser zusammendenken sollten.
1. Transportpreise reduzieren.
Rund 80 % des Welthandels laufen über das Meer. Nach Corona hatten sich die Preise in der Container-Schifffahrt eigentlich wieder normalisiert. Doch seit Winter 2023/24 sind die Preise für Frachtkosten in der Schifffahrt wieder stark angestiegen. Ein Hauptgrund sind die Angriffe und Entführungsversuche von Huthi-Rebellen im Roten Meer. Die teuren Transportkosten für Container legen die Redereien auf die Firmen um, so dass sie die Abhängigkeit globaler Lieferketten teuer zu stehen kommt. Mit der Fokussierung auf mehr lokale Partner könnten Firmen teure Transportpreise zumindest umgehen.
2. Sicherheit in Binnenmärkten und auf Transportwegen dank lokaler Lieferketten.
Wo wir schon beim Handel über die Weltmeere sind. Was auch für lokalere Lieferketten spricht, ist der Faktor Sicherheit. Meerespassagen wie das wichtige Rote Meer sind im Visier von Terrorgruppen. Seit 2023 sorgen Rebellen dort immer wieder für Angriffe auf Containerschiffe. Die Folge: Schiffe müssen das Rote Meer großräumig umfahren, wodurch sich Fahrzeiten, Preise für den Transport und die CO2-Emissionen der Schiffe für ihre Routen erhöhen. Beziehen wir Ressourcen und Produkte über geografisch nähere Partner und Länder, wären viele der Probleme nicht vorhanden und die CO2-Emissionen für den Transport geringer. Im EU-Binnenmarkt zum Beispiel gibt es mehr Sicherheit und Garantien, dass die Arbeitsbedingungen und Löhne besser sind. Somit erhöht sich die Sicherheit in Sachen Transport, aber auch bei der fairen Behandlung von Angestellten.
3. Partnerschaften – das Beste für alle Seiten.
Globale Lieferketten sorgen für partnerschaftliches Wirtschaften und können im besten Fall so auch die Beziehungen zwischen Ländern und Unternehmen fördern. Wenn sich die Wirtschaft auf globale und lokale Lieferketten stützt, hat das positive Effekte für viele Akteure. Lokal kann quasi immer nur eine Ergänzung zu global sein. Würden sich etwa europäische Firmen aus Ländern des Globalen Südens zurückziehen, hätte das vor Ort Konsequenzen für die Menschen, die in den Betrieben der Lieferkette arbeiten: „Tendenziell sind Löhne und Qualitätsstandards im Globalen Süden höher, wenn die Abnehmerfirmen im Globalen Norden sitzen“, sagt die Ökonomin und Expertin für Lieferketten Frauke Steglich vom Kiel Institut für Weltwirtschaft zum Magazin Good Impact. China etwa war einst ein Niedriglohnland, heute würden sich die Lohnkosten küstennaher Regionen wie Shanghai immerhin denen in Osteuropa angleichen.
So kann bei globalen Verflechtungen der Lieferketten das Prinzip „Eine Hand wäscht die andere“ greifen. Unternehmen, die in Schwellen- und Entwicklungsländern investieren, sollten sich fragen, was können wir den Menschen vor Ort im Tausch für Rohstoffe und Produkte anbieten. Im besten Fall sind das immer menschenwürdige Arbeitsbedingungen bei fairer Bezahlung. Laut Steglich ist das Modell, man hole sich in Schwellenländern, was man eben braucht, längst überholt.
4. Andere und kürzere Transportwege bei lokalen Ketten.
Ein mittelgroßes Containerschiff braucht pro Tag 300 Tonnen Schweröl. Pro Tag sind aber 5800 Containerschiffe auf den Weltmeeren unterwegs, die zur Welthandelsflotte gehören. Hinzu kommen noch weitere Schiffe. Die Schifffahrt auf den Weltmeeren ist heute für rund 3 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Lokale umweltverträglichere Lieferketten können diese CO2-Emissionen deutlich reduzieren.
Zudem können bei einer kürzeren Lieferkette theoretisch auch mehr Güter über die Schiene statt mit Containerschiffen, die mit Schweröl fahren, transportiert werden. Bei lokalen Lieferketten werden die Wege aber nicht nur kürzer und CO2-reduzierter. Hinzu kommt der Vorteil, dass kritische Punkte wie Meeresengen und Kanäle nicht Teil der lokalen Lieferketten sind. Der steckengebliebene Frachter "Ever Given" im Suezkanal vor einigen Jahren und die wochenlange Blockade waren für viele Firmen in Europa und Asien eine wirtschaftliche Katastrophe. Ist der Transportweg kürzer, fallen genau solche Stellen im Welthandel weg und die CO2-Emissionen sinken auch noch.
Die nachhaltige Lieferkette von Polarstern.
In Sachen Lieferkette setzen wir beim Ökoenergieversorger und Social Business Polarstern auf direkte Verträge mit unseren Kraftwerkspartnern und wissen so genau, woher unsere Energie kommt. Tatsächlich können dir das viele Energieversorger gar nicht genau sagen, weil sie ihren Strom an der Strombörse einkaufen oder im Zweifel fossilen Kohlestrom nur mit Zertifikaten über den Markt grün etikettieren. Da blickt niemand mehr durch. Bei der Erzeugung von Wirklich Ökostrom etwa setzen wir bei Polarstern auf Ökokraftwerke, die von unserem Büro aus gut zu erreichen sind und am Inn nahe Rosenheim liegen. Die Nähe ist uns wichtig. Denn wir müssen wissen, dass unser Produkt nachhaltig erzeugt wird. Und unsere Kund:innen können sich auch immer davon überzeugen. Regelmäßig veranstalten wir Führungen durch das Wasserkraftwerk, um mit unseren Kund:innen den Tier- und Umweltschutz anzusehen.
Als Mitglied der Gemeinwohl-Ökonomie befragen wir unsere Lieferanten auch zu nachhaltigen Kriterien, die uns wichtig sind. Beim Einkauf von Kaffee für‘s Büro, Putzmitteln, Snacks für den Snackbären etc. schauen wir uns genau an, von wem wir was kaufen, achten auf Siegel und greifen bevorzugt auf uns bekannte Partner. So stellen wir in unserer Lieferkette Nachhaltigkeit, Umweltstandards und mehr sicher.
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