Nachhaltig leben: Stadt vs. Land – wer kann was?
von Michael. - Lesezeit: 6 Minuten
Klimaschutz: Wie können sich Stadt- und Landbewohner ergänzen?
Im September 2019 mahnte Angela Merkel, dass man für den Klimaschutz ein neues Bündnis von Stadt und Land brauche und eine Arroganz der Städter gegenüber den Menschen auf dem Land verhindern müsse. Was meinte sie damit? Man stellt sich eine Stadt-Schulklasse vor, die in die Dorfdisco einfällt. Gemeint ist aber etwas anderes. Etwa, dass es für Stadtleute einfach ist, nach einem schnelleren Ausbau von Windparks zu rufen, solange sie nicht die eigene Sicht versperren. Oder Autos zu verteufeln, wenn das Wichtigste auch zu Fuß erledigt werden kann.
Unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten.
Dabei müssen sich Haushalte in der Stadt, im Umland und auf dem Land beim Klimaschutz überhaupt nicht als Gegenpole sehen. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind nur andere. Während das Umland mit seiner höheren Dichte an Eigenheimen mehr Entscheidungsfreiheit bei der technischen Förderung der Energiewende genießt, begünstigt die Stadt klimaschonendes Verhalten durch engen Raum und Angebotsvielfalt.
Das beste Fahrzeug – in der Stadt und auf dem Land.
Viele Möglichkeiten bei der Mobilität.
So bietet etwa die Stadt viele Möglichkeiten, CO2-reduziert von A nach B zu kommen. Es gibt öffentliche Verkehrsmittel. Es gibt Car-Sharing, falls man doch mal zum Möbelhaus muss. Das Angebot von E-Ladesäulen wächst, und es gibt diese E-Tretroller, über deren Nutzen hart gestritten wird, denen man aber wenigstens zugutehalten muss, dass sie weder Lärm noch Staus verursachen. Außerdem hat uns Gott Füße gegeben, wir nutzen sie nur viel zu selten. Vor allem Eltern profitieren, wenn die Kinder sich selbstständig zur Schlagzeug- oder Sonstwas-Stunde aufmachen können.
Radfahren spart 300 Kilo CO2 im Jahr.
Das größte Privileg der Städter ist immer noch das Radfahren. Toller Tipp. Ist es auch. Laut Umweltbundesamt ist das Rad auf einer Strecke bis 5 Kilometer das schnellste Fortbewegungsmittel. Und wer jeden Tag fünf Kilometer zur Arbeit fährt, spart bereits rund 300 Kilo CO2 im Jahr, und: eine Menge Geld. Kalkuliert man Anschaffungskosten, Reparaturen und Ausrüstung mit ein, kostet ein Fahrrad laut Fahrradportal des Bundesverkehrsministeriums in den Unterhaltungskosten 10 Cent pro Kilometer. Ein Oberklassenwagen dagegen schon 3 Euro.
Die ganze Stadt hat etwas davon.
Außerdem profitiert die ganze Gemeinde vom Radfahren. Nimmt man mal die schimpfenden Radl-Ultras mit ihren Gelbwesten und erhobenen Mittelfingern heraus, machen Radler keinen Lärm, emittieren weder Feinstaub noch Stickoxide und verursachen weniger Kosten für die Stadt. So liegen etwa die Baukosten für einen Pkw-Stellplatz laut Umweltbundesamt zwischen 2.000 und 3.000 Euro, ein Stellplatz für acht Räder auf der gleichen Fläche gibt es dagegen schon für 50 bis 120 Euro.
Voraussetzung für klimafreundliche Mobilität: Benehmen.
Die größte Herausforderung für einen klimafreundlichen Verkehr ist, dass die Autos höher und breiter werden, obwohl es eh schon zu eng ist. Laut Center Automotive Research (CAR) war 2019 jedes dritte in Deutschland verkaufte Auto ein SUV. Damit mehr Menschen aufs Rad steigen, braucht es aber auch mehr Gelassenheit. Müsste man eine aktuelle ADAC-Befragung unter Verkehrsteilnehmern in Großstädten zusammenfassen, wäre das Fazit: Jeder hasst jeden. Vor allem die Radfahrer fühlen sich überhaupt nicht sicher.
Mobilität auf dem Land.
Auf dem Land geht’s nicht ganz ohne Auto. Mit dem Bus kommst du noch ins Kino in den Nachbarort, nach Hause kommst nicht. Durchschnittlich fahren Personen laut Mobilität in Deutschland im ländlichen Raum täglich 26 Kilometer mit dem Auto, Menschen in Metropolregionen dagegen nur 14 Kilometer. E-Autos sind eine wichtige Möglichkeit, die Emissionen auch auf der Landstraße zu senken. Sie werden immer als Alternative für die Stadt gesehen, weil hier die Strecken kürzer sind und die Dichte an Ladesäulen höher ist.
E-Autos passen genauso aufs Land.
Was E-Autos abseits des städtischen Raums trotzdem so attraktiv macht, ist die hohe Dichte an Eigenheimen. Denn ihre Besitzer müssen niemanden um Erlaubnis fragen, wenn sie sich eine Ladesäule einbauen möchten. Sie konkurrieren auch mit niemandem um den Ladeplatz und wissen immer, welchen Strom sie laden: bitte Ökostrom! Nur dann ist die Elektromobilität auch klimafreundlich. Auf der durchschnittlichen zurückgelegten Tagesstrecke von 39 Kilometern spart ein Elektroauto im Vergleich zum Benziner der Kompaktklasse rund 2,5 Kilo CO2.
Stromtarife für dein ElektroautoSo viel CO2 verursacht die durchschnittliche Wegstrecke von 39 km pro Person.
PKW Benzin | E-Auto (Strommix) | E-Auto (Ökostrom) | Pedelec (Strommix) | ÖPNV | IC/ICE |
---|---|---|---|---|---|
7,4 kg CO2 | 4,9 kg CO2 | 0,02 kg CO2 | 0,2 kg CO2 | 2,5 kg CO2 | 1,4 kg CO2 |
Quelle: Quarks auf Basis von Daten des Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu).
Ökostrom-Ausbau – in der Stadt und auf dem Land.
Auf dem Land.
Ein Privileg der Eigenheimbesitzer ist außerdem, dass sie den Ausbau der erneuerbaren Energien mit eigenen PV-Anlagen (und Speichern) aktiv mitgestalten können. Sie unterstützen so das Klimaziel der Bundesregierung, den Energiebedarf bis zu 2050 bis zu 100 % aus erneuerbaren Energien zu decken. Und sie profitieren davon. Denn der selbstgemachte Ökostrom kann sowohl für den Haushalt als auch für die Ladesäule genutzt werden, kostet aber durchschnittlich nur 10 Cent pro Kilowattstunde. Natürlich blättert man das Geld für eine Photovoltaikanlage nicht eben mal so hin. Aber die Freiheit es zu tun, ist da. Im Schnitt werden Haushalte mit einer eigenen Stromversorgung zu 60 % unabhängig vom öffentlichen Stromnetz. Mit zusätzlichen Solarthermieanlagen erzeugen die Haushalte 20 % bis 25 % ihres Wärmebedarfs einfach selbst.
>>> Wann sich eine Stromversorgung aus PV und Speicher lohnt.
>>> Elektromeister beantwortet Fragen zur Eigenversorgung.
In der Stadt.
Mieter in Mehrparteienhäusern können den Ausbau zumindest indirekt mit der Wahl ihres Energieversorgers unterstützen. Gerade die unabhängigen Ökostromanbieter fördern den Ausbau der erneuerbaren Energien über die übliche EEG-Umlage hinaus. Bei Polarstern etwa gehen mit jeder verbrauchen Kilowattstunde 1 Cent in neue Energiewendeprojekte. Zusätzlich ermöglicht jeder Wechsel einer Familie in Kambodscha den Bau einer Biogasanlage. Und selbstverständlich spart der Wechsel eine Menge CO2. Ein Haushalt mit einem Stromverbrauch von 3.500 Kilowattstunden im Jahr verhindert schon knapp 1,5 Tonnen CO2 pro Jahr. Der Ökogaswechsel verhindert auf einer Wohnfläche von 120 Quadratmetern sogar rund 3.450 Kilo CO2.
Was dein Wechsel bewirktBalkonmodule.
Ein bisschen Eigenversorgung geht dann doch noch in der Stadt. Mini-PV-Anlagen, sogenannte Balkonmodule können laut Photovoltaik Netzwerk Baden-Württemberg bis zu 10 % des Stromverbrauchs eines 3-Personen-Haushalts decken und 50 bis 90 Euro im Jahr sparen. Die kleinen PV-Anlagen können einfach am Balkon montiert und an der Steckdose angeschlossen werden. Auf welche Sicherheitsaspekte und rechtliche Fragen du trotzdem unbedingt achten solltest, findest du in diesem Leitfaden.
Mieterstrom.
Abgesehen davon ist der Ausbau der erneuerbaren Energie keine Entwicklung, die dem Land oder Umland vorbehalten ist. Bei Mieterstrom-Modellen wird Ökostrom am Gebäude mit PV-Anlagen oder Blockheizkraftwerken erzeugt, und direkt von den Mietern verbraucht. Der selbstgemachte Strom schützt nicht nur das Klima, sondern senkt auch die Mietnebenkosten. Und wie im Eigenheim kann der Ökostrom auch direkt zum Laden für Elektroautos genutzt werden.
Mehr über Mieterstrom erfahrenEnergie sparen – in der Stadt und auf dem Land.
Auf dem Land.
Auch bei energetischen Sanierungsmaßnahmen hat das Land mehr Entscheidungsgewalt – ein Klimaschutzpotenzial, das viel zu wenig genutzt wird. Rund 18 Millionen Wohngebäude, die vor 1977 gebaut wurden, sind noch nicht oder nur teilweise saniert worden. Dabei sparen rundum modernisierte Gebäude dieser Art laut Energieberatung co2online im Schnitt rund 52 % Heizenergie. Eigenheimbesitzer müssen nicht wie Mieter darauf warten, dass ihnen jemand die Wände dämmt oder sie von der alten Ölheizung befreit, sie können es tun, wann sie wollen. Diese Ersparnisse sind laut Energieberatung co2online mit den jeweiligen Modernisierungsmaßnahmen drin.
So viel Geld und Energie spart eine Familie nach einer Sanierung.
Maßnahme | Jährliche Energieeinsparung | Jährliche Kostenersparnis |
---|---|---|
Fassadendämmung | 19 % | 260 € |
Dämmung obere Geschossdecke | 7 % | 100 € |
Erneuerung Fenster | 7 % | 100 € |
Dämmung Kellerdecke | 5 % | 70 € |
Beispielhaus: Baujahr1983, Wohnfläche von 125 Quadratmetern und einem Erdgasverbrauch von 18.125 kWh pro Jahr. Quelle: co2online.
Kleine Maßnahmen bringen auch viel.
Daneben gibt es viele kleinere Maßnahmen, die ebenso richtig viel bringen. So spart eine neue Umwälzpumpe laut Deutsche Energie-Agentur bis zu 80 % der Betriebsstromkosten. Ein moderner Gasbrennwertkessel benötigt rund ein Viertel weniger Energie. Und ein hydraulischer Abgleich bringt das Heizwasser wieder gleichmäßig zu allen Heizkörpern, was bei einer Wohnfläche von 125 Quadratmetern laut co2online eine Heizkostenersparnis von 90 Euro im Jahr bringen kann. Für die Maßnahmen gibt es eine Latte an Förderungen.
>>> Auch: Wann sich der Einbau einer Wärmepumpe lohnt.
Und in der Stadt?
Mieter können nicht einfach so eine Modernisierung anzetteln und werden es wahrscheinlich auch aus Sorge vor Baustellenlärm und Mieterhöhung nicht tun. Möglichkeiten, effizienter zu werden, gibt es trotzdem. Wenn zum Beispiel die Heizenergiekosten fallen, sollte man nicht jubelnd die Heizung hochdrehen. Und es ist wichtig, die Geräte so bewusst zu nutzen, wie es ihre Effizienzklasse fordert. So viel Energie könnten die Haushalte dabei sparen.
Mit den klassischen Spartipps für Strom, Warmwasser und Heizen schöpfst du die Möglichkeiten zum Energie sparen aus. Und mit dem nächsten Link sorgst du dafür, dass du auch dabei bleibst.
Immer schön energieeffizient bleiben
Lebensmittel: Wo Stadt und Land zusammenkommen.
Wo Stadt und Land immer schön zusammenkommen, sind Wochenmärkte. Es ist absurd, wie Obst und Gemüse eingeflogen werden, wenn es die Lebensmittel in bester Qualität vor den Stadttoren gibt. Menschen mit Garten können ohnehin vieles selbst pflanzen. Aber Wochenmärkte entlasten ebenso das Klima, weil sich niemand ins Auto setzen muss, um Produkte aus der Region zu kaufen. Bei diesen Strecken ist auch liefern lassen okay. Insbesondere weil immer mehr Produzenten einen CO2-neutralen Transport anbieten. Wochenmärkte unterstützen nicht nur die eigene Wirtschaft, sie sind auch eine gute Gelegenheit, ein bisschen zu quatschen. Vielleicht sogar über den Klimaschutz.
Ökostrom aus der Region