Nachhaltig leben mit Kindern – geht das?
von Michael. - Lesezeit: 7 Minuten
Tipp 1: Sei nicht zu streng zu dir.
Eltern können auch nicht in die Zukunft sehen. Aber sie spüren sie mehr als andere. Über die Kinder sind sie mit ihr verbunden, weshalb in vielen Familien Umwelt- und Klimaschutz eine zunehmend zentrale Rolle spielt.
Wenn du mit deiner Familie nachhaltiger leben willst, lass dich von anderen Familien inspirieren, aber nicht verunsichern, schon gar nicht von irgendwelchen perfekt inszenierten Instagram-Posts. Das sind Momentaufnahmen, die genau eine Sekunde halten, bevor das Baby kotzt und der Ältere das Spielbrett umwirft. Wie bei allen. Das Familienleben hat nun mal seinen eigenen unvorhergesehenen Groove, und das ist bei einem nachhaltigen Handeln nicht anders. Das Gute ist, dass es Maßnahmen gibt, die auch ohne die Koop mit den Kleinen funktioniert, und mit denen fangen wir an.
Tipp 2: Familienkonto bei einer nachhaltigen Bank eröffnen.
Zum Beispiel ist ein Familienkonto bei einer nachhaltigen Bank wirklich ein großer Hebel für den Umwelt- und Klimaschutz. Denn die grünen Banken investieren nicht in die Kohlekraft und machen auch keine Geschäfte mit Unternehmen, die Waffen produzieren, Arbeits- und Menschenrechte verletzen oder die Umwelt zerstören. Stattdessen wird euer Geld in den Ausbau der erneuerbaren Energien oder in das Gemeinwohl investiert – zum Beispiel für die Kinderbetreuung. Außerdem ist so ein Kontowechsel einfacher, als man vermuten würde. Alles geht bequem online, und die Banken unterstützen euch, wo sie können. Gute Banken sind zum Beispiel die GLS, die Ethik- und Umweltbank, die Triodos, und natürlich unser Kooperationspartner Sparda-Bank München – die erste Bank Deutschlands mit einer Zertifizierung durch die Gemeinwohl-Ökonomie.
Erfahre mehr über die GemeinwohlökonomieTipp 3: Geht ruckzuck, der Wechsel zu Ökostrom.
Kommt Nachwuchs ins Haus, steigt auch der Stromverbrauch der Familie an. Alle sind mehr zu Hause, es wird mehr gekocht, mehr gewaschen, und je älter die Kinder werden, desto mehr Strom wird im Kinderzimmer verzockt. Mit den Kilowattstunden fällt zwangsläufig auch mehr CO2 an. Mit einem Wechsel zu Ökostrom und Ökogas wird es die Familie jedoch sofort los. Eine vierköpfige Familie und einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden spart mit dem Wechsel zu Ökostrom schon fast 1,5 Tonnen CO2. Der Wechsel zu Ökogas verhindert auf einer Fläche von 120 Quadratmetern sogar 3.450 Kilo CO2 pro Jahr. Einfach so. Außerdem stecken in jedem Haushalt große Energiesparpotenziale. Durchschnittlich kann ein 3-Personen-Haushalt mit den richtigen Stromspartipps etwa 1.000 Kilowattstunden Strom und rund 270 Euro Kosten sparen. Wie viel du mit dem Wechsel bewirkst, kannst du mit unserem Impact-Rechner ausrechnen. Deine Familie sorgt sogar dafür, dass Familien in Kambodscha ebenso saubere Energie bekommen.
Erfahre mehr: Was du mit deinem Wechsel alles bewirkstTipp 4: Klimastreiken mit der Familie.
Die Schüler von Fridays for Future haben etwas geschafft, das Erwachsene in Jahren und Jahrzehnten nicht geschafft haben: den Klimaschutz zu einem Thema zu machen, das niemand mehr ignorieren kann. Das ist eine Leistung, die man gar nicht genug wertschätzen kann. Auch der Klimastreik musste Corona-bedingt ins Homeoffice, findet aber hier und da schon wieder unter Hygiene-Auflagen statt und ist etwas für die ganze Familie. Im Netz gibt es den Klimastreik natürlich auch. Bastelt coole Schilder, fotografiert und postet sie. Wenn es die Corona-Lockerungen wieder erlauben, sind auch Clean-Ups – öffentliche Aufräumaktionen – schöne Events für Familien. Als Eltern kann man seinen Kindern Engagement vorleben, und vielleicht sogar darauf hoffen, dass die Kinder bei ihrem eigenen Kinderzimmer vielleicht auch mal so engagiert sind. Auch bei Polarstern veranstalten wir jedes Jahr einen Clean Up an der Isar.
Tipp 5: Beim Einkaufen Zeit, Geld und Müll sparen.
Klimaschutz ist beim Einkaufen schon herausfordernder als der Konto- oder Stromwechsel, der Klimanutzen aber ebenso hoch. Allein bei ihrer Ernährung verursachen die Deutschen laut Umweltbundesamt pro Kopf und Jahr 1,74 Tonnen CO2 (gesamt: 11,61 Tonnen). Im Bereich sonstiger Konsum, zu dem Kleidung und alle anderen Anschaffungen gehören, fallen sogar 3,65 Tonnen CO2 an. Wo soll man da anfangen?
So findest du faire und nachhaltige ModeBio und fair, schon klar.
Natürlich mit Bio- und fair gehandelten Produkten, am besten aus der Region und bei Lebensmitteln saisonal. So weit so bekannt. Aber das klappt eben nicht immer. Die wenigsten haben einen Biosupermarkt oder Hofladen auf der Alltagsroute zwischen Kita, Schule und Wohnung, und wenn doch, ist so ein Bio-Familieneinkauf sehr teuer.
Öko-Kisten.
Was das erste Problem betrifft: Anbieter von Öko-Kisten liefern bis zur Tür, und da es sich um lokale Anbieter handelt, sind die Lieferwege kurz, und der CO2-Ausstoß entsprechend gering. Viele Anbieter achten ohnehin auf einen klimaneutralen Transport. Um gleich zum zweiten Punkt zu kommen: Manche Lieferanten bieten Obst und Gemüse, das für den Standard-Supermarkt zu „hässlich“ war. Damit hilft man mit, den Wegwerfwahnsinn von Lebensmitteln einzuschränken und spart oft Geld. Laut der Universität Stuttgart schmeißen die deutschen Haushalte im Schnitt 85,2 Kilogramm Essen im Jahr weg.
Foodsharing.
Ebenso müsst ihr nichts entsorgen, wenn öfters zu viel Essen übrigbleibt. Über Foodsharing könnt ihr eure Lebensmittel mit anderen teilen. Oder euch selbst etwas holen – auch in Bio-Qualität. Mit der App Too Good To Go könnt ihr euch Essen aus der Umgebung holen, oftmals von richtig guten Lokalen. Denn denen blutet auch das Herz blutet, wenn sie hervorragendes Essen wegwerfen müssen. Fair gehandelte Produkte muss übrigens keine Preisfrage sein. Es gibt sie in wachsendem Angebot auch bei Discountern – von Fairtrade zertifiziert.
Apropos online …
Es muss nicht immer der Bestellriese sein. Seit der Corona-Krise liefern viele Läden per Fahrrad nach Hause. Wenn etwa ein Kinderbuch jetzt sofort hermuss, lohnt es sich nachzusehen, ob der Buchladen eures Vertrauens diesen Service anbietet. Fair gehandelte Produkte gibt es mittlerweile auch bei Discountern. Sie sind alle mit dem Fairtrade-Standard zertifiziert.
Wochenmarkt als Happening.
Wochenmärkte sind außerdem eine gute Möglichkeit, regional und bio einzukaufen und gleichzeitig die Kinder durchzulüften. Der Einkauf lässt sich auch mit einem guten Anreiz verbinden, etwas Besonderes für die Kids einzukaufen, dass es nur einmal die Woche gibt. Zum Beispiel Fleisch. Tierische Produkte gehören zu den großen Klimakillern, umso wichtiger ist es, sie in Maßen zu kaufen, wertzuschätzen und auf Qualität zu achten.
Wirklich tierfreundlicher Ökostrom – den gibt's hierVerpackung vermeiden.
So ein Markteinkauf spart außerdem eine Menge Verpackungsmüll. Gerade Bio-Gemüse ist in herkömmlichen Supermärkten viel zu oft in Plastik eingepackt, was seinen Nachhaltigkeitswert gehörig nach unten schraubt. Abhilfe verschaffen verpackungsfreie Supermärkte. Es gibt immer mehr davon in Deutschland, und manche, so wie in Berlin, liefern innerhalb der Stadt sogar klimaneutral per Fahrrad oder Elektroauto aus. Per Lieferung sind die Sachen zwar nicht ganz verpackungsfrei, aber es werden nur bereits genutzte Materialien verwendet. Auf dem Spielplatz oder in der Schule verhindern Brotdosen und Trinkflaschen richtig viel Verpackungsmüll im Jahr. Und man verhindert, doch wieder beim nächsten Bäcker einzukehren und einen Berg an Servietten und Papiertüten mit sich rumzuschleppen.
Tücher und Servietten.
Wer doch mal wieder Servietten in der Hand hält, ohne danach gefragt zu haben: Hebt sie auf und putzt damit den Kindern später die Gesichter und Nasen (so wie man es als Kind auch schon gehasst hat), dann hat der Papiermüll wenigstens noch einen Sinn erfüllt. Feuchttücher, diese Weltretter eines jeden Spaziergangs, gibt es übrigens auch ökologisch. Sie sind kompostierbar und zu 100 % aus nachwachsenden Rohstoffen, unparfümiert und ohne unnötige Chemie. Wer noch das Verpackungsproblem lösen will, stellt einfach eigene Feuchttücher her. Im Internet gibt es jede Menge Anleitungen für selbstgemachte Feuchttücher aus Küchenrolle, abgekochtem Wasser, Oliven- oder Kokosöl. Eine Brotdose eignet sich hervorragend als Spender.
Kindergeburtstag.
Hebt Party-Utensilien von Kindergeburtstagen auf und lasst Unnötiges einfach weg, zum Beispiel Strohhalme. Die wenigsten werden nach einem fragen, und das ist besser so. Laut einer Studie der Umwelt-NGO Seas at Risk werden jährlich ca. 36 Milliarden Einwegstrohhalme innerhalb der EU weggeworfen. Wer trotzdem nicht auf die Halme verzichten will, weil es zugegeben zur Kindheit dazugehört, Limo blubbern zu lassen, kann Alternativen aus Glas-, Hartplastik- oder Edelstahlhalme kaufen. Die verbrauchen in der Herstellung natürlich auch Ressourcen, werden sie häufig genutzt, sind sie definitiv nachhaltiger.
Pinatas sind im Laden teuer. Dabei kann man sie einfach selbst basteln.
Tipp 6: Loslassen lernen: Was kann weg?
Angenommen ab morgen wird kein Spielzeug oder keine Kleidung mehr hergestellt, dann hat die Welt noch bis zum jüngsten Tag genug davon. Es gibt viel zu viel Zeug. Tauschpartys sind eine gute Möglichkeit, Neues in die Bude zu bringen und Altes loszuwerden. Egal ob Spielzeug, Klamotten oder kleine Kindermöbel: Wenn Erwachsene und Kinder gemeinsam mitmachen, wird es für alle witzig. Außerdem ist es eine gute Möglichkeit, das Loslassen zu lernen, wenn man selbst etwas Neues ergattert. Denn oft wird das ferngesteuerte Auto mit dem Staub auf der Ladefläche, genau dann wieder interessant, wenn du es aussortieren möchtest.
Dinge sind nicht aus der Welt.
Ein Ausweis bei der Stadtbibliothek ist ebenfalls eine gute Sache. Ausleihen spart im Vergleich zum permanenten Neukauf nicht nur Geld und Ressourcen, Kinder lernen auch, dass Dinge nicht aus der Welt sind, nur weil man sie zurückbringt. Man kann sich die Sachen ja immer wieder neu ausleihen. Loslassen lernt man auch, indem man Sachen zu sozialen Einrichtungen bringt, wo sich andere Kinder vielleicht noch viel mehr über Spielzeug und Bücher freuen.
Ersatzteile finden.
Nicht jedes Brettspiel oder Puzzle muss entsorgt werden, nur weil eine Figur, eine Karte oder ein Teil fehlt. Im Internet findet man vom Sagaland-Baum bis zur Verrückten-Labyrinth-Karte so ziemlich alles. Zur Entsorgung: Batteriebetriebenes Spielzeug kommt nicht in die Restmülltonne, sondern auf den Wertstoffhof oder in Sammelcontainer für kleine Elektrogeräte. Batterien müssen natürlich vorher raus und getrennt in Batteriesammelbehälter entsorgt werden.
So reparierst du kaputte Geräte selbstTipp 7: Alternativen zeigen, ohne zu nerven.
Nachhaltig und öko finden die Erwachsenen oft ganz spitze, die Kinder eher nicht so. Beispiel Spielzeug: Neben dem neuesten Super(s)hero-Spielzeug sieht die Öko-Alternative eher unbunt aus. Kinder sind wie Erwachsene: Man will Entscheidungen selbst treffen. Stellt man beide Alternativen in den Raum, ist das Holzspielzeug manchmal doch der Renner. Das Gleiche gibt es auch beim Essen. Gerade in der Öko-Kiste sind viele Lebensmittel, die den Koch ebenso herausfordern wie den Gaumen eines Kindes. Was oft klappt: Auf den Tisch stellen, mit der Ansage, jeder nimmt sich selbst.
Was deine Entscheidung für Polarstern bewirktTipp 8: CO2-reduziert reisen.
Die Königsdisziplin heißt Zugfahren. Vollgestopfte Züge, ein Berg von Koffern und Rucksäcken und damit irgendwie vom Zielbahnhof in die Unterkunft eiern – das kann noch so gut geplant sein, und trotzdem im Vollstress ausarten. Wer gute Erfahrungen damit gemacht hat: Bei einer Zugfahrt von – sagen wie Hamburg zum Chiemsee – würdet ihr laut einem Bericht von Quarks unter Berücksichtigung von Daten des Instituts für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) mit einem Benziner, der 6,8 Liter Benzin pro 100 km verbraucht, bereits 123 Kilo CO2 verursachen. Mit dem Zug dagegen hundert Kilo weniger. Und am Zielort? Räder ausleihen und gar nichts an CO2 anfallen lassen.
CO2 kompensieren.
Wer darauf wartet, dass alle Flughäfen und Grenzen offen sind: CO2 fürs Fliegen sollte immer über Atmosfair kompensiert werden. Abgesehen davon gab es noch nie so eine gute Gelegenheit, das eigene Land kennenzulernen. Eine Deutschlandtour im Leben muss drin sein. Das Land ist wirklich schön! Für Familien gibt es auch Bio-Hotels, die ihren ganzen Betrieb auch Nachhaltigkeit stellen und sich auf einen kinderfreundlichen Betrieb spezialisiert haben. Und wer’s abenteuerlicher mag. Zelten ist gleichermaßen schön und scheiße, und in jedem Fall ein Erlebnis wert.
Tipp 9: Auf die Kinder hören.
Wir selbst können von den Kindern eine Menge lernen. Sie wissen oft ganz genau, was in welchen Mülleimer kommt, wissen, was der Klimawandel ist und wie man ihn bekämpft. Man wundert sich, wo die das herhaben, und manchmal nervt's. Aber es sind genau die Momente, wo ihr genau sagen könnt: Wir haben richtig viel richtig gemacht.