Persönliches Greenwashing: Wie wir mit dem Selbstbetrug Schluss machen.
Verhalten und Einstellung sind nicht immer identisch. Das kennst du, oder? Beim Klimaschutz zum Beispiel klafft manchmal eine erstaunliche Lücke. Wir sagen dir, welche Methoden des Selbstbetrugs es gibt, was das mit kognitiver Dissonanz zu tun hat – und warum uns das persönliche Greenwashing im Alltag nicht voranbringt.
von Ludwig. - Lesezeit: 3 Minuten
Manchmal ist etwas nicht schwarz oder weiß – ehrlicherweise gesagt, sehr oft sogar. Rauchende Personen wissen, wie schädlich es ist, machen es aber trotzdem. Klimaschützer:innen fliegen in den Urlaub, obwohl sie im Alltag gegen die Treibhausgase kämpfen. Wir nehmen uns vor, mehr Sport zu machen, weil's gesund ist, finden uns aber dann im Restaurant mit Freund:innen oder mit der Schokolade auf dem Sofa wieder. Um diese Kluft zu überwinden, die sich oft zwischen Anspruch und Wirklichkeit bewegt, haben wir uns verschiedene Strategien angeeignet. Psycholog:innen nennen es Dissonanzreduktion.
Wenn es sich dabei um Klima- und Umweltschutz handelt, an denen sich diese Dissonanzen zeigen, grenzt dieser Selbstbetrug an ein persönliches Greenwashing. Eigentlich betrifft es fast jede:n von uns. Mal geht’s eher um Prokrastination ("Die Heizung entlüfte ich nächstes Wochenende."), ein anderes Mal um Augenwischerei und das Verschleiern unseres eigenen Verhaltens ("Ich hab doch schon Ökostrom, warum soll ich denn Energie sparen?").
Wichtig: Es ist ganz normal, aber wir bewirken so halt am Ende viel weniger. Wenn wir uns hingegen der ganzen Strategien und fiesen Methoden des Selbstbetrugs bewusst sind, können wir sie überwinden, diese blöde Kluft.
Kognitive Dissonanz: So kommt es zum Selbstbetrug.
Selbstbetrug durch Prokrastinieren.
Jede:r kennt es: Prokrastination, also Dinge aufschieben, bis die To-do-Liste unüberschaubar wird. Dabei handelt es sich um die wissenschaftliche Bezeichnung für pathologisches Aufschiebeverhalten. Prokrastination ist laut Uni Münster eine ernstzunehmende Arbeitsstörung und kann sowohl private Alltagsaktivitäten als auch schulische, akademische und berufliche Tätigkeiten betreffen. In Bezug auf unser Nachhaltigkeitsverhalten gibt es eine Menge Beispiele:
- Den Wechsel zu echtem Ökostrom oder Ökogas immer wieder aufschieben.
- Statt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Rad in die Arbeit zu fahren, immer das Auto nehmen.
- Das Vorhaben, weniger oder kein Fleisch zu essen, immer wieder aufzuschieben.
- Mit der energetischen Sanierung abwarten.
- Mit der Heizungsmodernisierung warten, obwohl eine moderne, effizientere Heizung viel Geld sparen kann.
Wenn wir prokrastinieren, schieben wir nicht nur einfach Dinge auf, sondern verschwenden auch noch Geld; zum Beispiel weil wir eine Förderung oder ein Angebot verschlafen. Nicht selten steht am Anfang eine schmerzhafte Investition, aber auf lange Sicht – wie etwa beim Heizungstausch – lohnt es sich finanziell richtig. Das ist ein bisschen wie mit dem Besuch in der Autowerkstatt. Eine Reparatur tut weh, aber wer sie aufschiebt und aufschiebt, bekommt am Ende womöglich eine richtig saftige Rechnung vor den Latz geknallt, weil am Auto noch mehr kaputt ist.
Im Fall von Ökostrom kannst du in vielen Fällen nicht nur sparen. Du tust mit Ökoenergie auch richtig viel für den Klimaschutz. Polarsterns Wirklich Ökostrom etwa ist mit dem Grüner Strom-Label zertifiziert, dem strengsten Ökostrom-Label auf dem Markt. Und nebenbei tun Polarstern-Kund:innen mit einer Extraportion etwas für die weltweite Energiewende. Zack Energiewende, ciao Prokrastination!
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Nachhaltigkeits-Kluft.
Keine Frage, wir haben viel erreicht bei der Energiewende. Fast jeder Energieversorger hat einen Ökostromtarif. Auch bei der E-Mobilität hat sich viel getan. Und es gibt in den Supermarktregalen immer mehr Bio-Lebensmittel und viele vegetarische/vegane Alternativen. Aber, wer nutzt es? Immer noch sind diejenigen in der Minderheit, die echten Ökostrom nutzen, weniger tierische Produkte konsumieren oder aufs Auto verzichten bzw. auf ein Elektrofahrzeug umgestiegen sind. Warum? Wenn die meisten von uns doch wissen, dass wir dringend mehr für den Klimaschutz tun müssen.
Selbstbetrug durch Verschleiern und Kaschieren.
Bleiben wir beim Beispiel Ökostrom. Hier wird auch ganz viel kaschiert und verschleiert. Viele achten bei der Wahl des Stromanbieters tatsächlich auf das Wörtchen Ökostrom. Nur: Das allein reicht nicht – eigentlich wie bei so vielen anderen Produkten. Denn auch im Strommarkt gibt es viele Ökostrom-Tarife, die nur vordergründig grün sind. Etwa, weil man mit ihnen den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht vorantreibt (wie das bei echtem Ökostrom der Fall ist), oder weil es zwar ein Ökostromtarif ist, aber der Anbieter dahinter ein Konzern mit vielen Kohlekraftwerken ist.
Tipps für die Ökostrom-SucheWir kommen nicht voran, wenn wir kaschieren und relativieren.
Eigentlich ist das auch nicht verwerflich, denn wir können ja nicht überall Profis sein. Und in gewisser Weise ist es ja das Schöne am nachhaltigen Leben: Jede:r kann dort anfangen, wo es einem am leichtesten fällt. Nur, wenn wir uns einreden, es sei doch halb so wild, Kurzstreckenflüge zu machen, weil man ansonsten im Supermarkt Bio kauft und E-Auto fährt, kommen wir beim Klimaschutz nicht voran. Wirklich.
Vor allem kommen wir beim Klimaschutz nicht vorwärts, wenn die Menschheit bei den großen Themen Selbstbetrug macht. Es ist richtig und wichtig, zuhause energieeffiziente Lichter zu verwenden und weniger Fleisch zu essen. Aber mehr fürs Klima würden wir erreichen, wenn wir umweltfreundlicher unterwegs wären, also mehr Bahn fahren und weniger fliegen.
Selbstbetrug und Dissonanz durch Relativieren.
„Früher waren die Sommer auch schon heiß und es hat stark geregnet“ – sicher hast du den Klassiker auch schon gehört. Er dreht sich wie eine ewige Schallplatte, wird dabei aber nicht „richtiger“. Relativierung nennt man diese Art des Selbstbetrugs und der kognitiven Dissonanz. Gerne relativieren Menschen zum Beispiel die Folgen der Klimakrise. So reden sie nicht nur die Notwendigkeit für Klimaschutz klein, sondern auch ihren eigenen Impact. Ganz nach dem Motto: Gab’s doch schon immer, was kann ich also für einen Impact haben?! Auch als Individuum hat man eine Menge Impact.
Dabei zeigen die Daten der Klimawissenschaft, dass Extremwetter weltweit zunehmen, intensiver werden, Hitzewellen länger anhalten und jedes Jahr neue Klimarekorde aufgestellt werden. Den Klimawandel bzw. die Erderhitzung leugnen nur noch wenige Deutsche. Und dennoch verbreiten viele Menschen bewusst Desinformation, um Klimaschutzmaßnahmen zu verzögern oder zu verhindern. Vor allem rund um die Klimakonferenz in Dubai 2023 gab es laut tagesschau.de solche Relativierungen. Unter den Hashtags #Klimaschwindel und #ClimateScam fanden sich damals zahlreiche Beiträge, die den Klimawandel relativieren, in Frage stellen oder gar leugnen.
Desinformation: Die Gefahr, die Klimakrise zu relativieren.
Ein Bericht zur COP28 in Dubai der Koalition Climate Action Against Disinformation (CAAD), einem weltweiten Zusammenschluss von mehr als 50 Klima- und Desinformationsorganisationen, kommt zu dem Schluss, dass sowohl Fehlinformationen als auch Desinformation über das Klima Hochkonjunktur haben.
Relativieren und sich selbst belügen, in puncto Klimakrise, ist auch eine Paradedisziplin von Elon Musk. Durch die Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter (X) von Musk gab es laut einer Analyse einen sprunghaften Anstieg von Desinformation zum Klimawandel seit Juli 2022. Die Anzahl klimawandelleugnender Inhalte auf X verdreifachte sich im Vergleich zu den vorherigen Monaten. So werden politische Maßnahmen, die eigentlich Teil des Pariser Klimaabkommens sind, ausgebremst, infrage gestellt oder ganz ignoriert. In der Folge kostet uns die Relativierung und Prokrastination in Form von Naturkatastrophen, Menschenleben und viel Geld.
Es geht bei allen Methoden des persönlichen Greenwashings viel um Psychologie. Selbstbetrug und Selbsttäuschung können ganz unterschiedliche Gründe und Absichten haben. Manche machen es absichtlich, eben mit bewusster Desinformation oder mit bewusstem "Fehlverhalten". Andere Vorhaben in unserem Alltag landen aber auch einfach auf der langen Bank, weil man prokrastiniert, sich ein bisschen in die eigene Tasche lügt, selbst immer wieder gut zuredet oder zwei Dinge, wie ein Verbrennerauto fahren vs. Ökostrom zu haben, gegeneinander ausspielt. Das Problem ist nur: Persönliches Greenwashing bringt uns nicht weiter.
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