Greenwashing beim Ökostrom, gibt’s das? Diese Praktiken werfen Fragen auf.
von Michael. - Lesezeit: 5 Minuten
Greenwashing der Ökostromanbieter.
Bei allen Setbacks, die die Energiewende derzeit hinnehmen muss, ist es von höchster Bedeutung, dass wir als Privatpersonen die Energiewende mit unserem Energiekonsum unterstützen. Am einfachsten geht das über die Bestellung von Ökostrom. Doch der Markt macht‘s einem leider nicht ganz leicht. So undenkbar eine Artischocke ohne Herz oder ein Überraschungsei ohne Überraschung wäre, so üblich ist Ökostrom, der im Kern weder die Energiewende unterstützt noch aus erneuerbaren Energien gemacht ist.
Greenwashing-Potenzial über Herkunftsnachweise.
Möglich macht’s der Handel mit Herkunftsnachweisen. Für jede Megawattstunde Ökostrom, die erzeugt wird, gibt es einen Herkunftsnachweis (HKN). Diese Herkunftsnachweise dürfen in Europa unabhängig von der ursprünglichen Erzeugungsmenge gehandelt werden. Ein Wasserkraftwerk aus Norwegen etwa kann eine Megawattstunde Ökostrom produzieren und den Herkunftsnachweis dafür weiterverkaufen. Die ursprüngliche Ökostrommenge geht vor Ort als Graustrom ins Netz; der Käufer des Herkunftsnachweises, zum Beispiel ein Energieversorger aus Deutschland darf eine Megawattstunde Graustrom von der Strombörse als Ökostrom verkaufen.
Für die Energiewende ist das HKN-Business hinderlich. Wenn man einfach Graustrom als Ökostrom vermarktet, gibt es keinen Druck, auf die steigende Nachfrage nach Ökostrom mit dem Bau von neuen Ökokraftwerken zu antworten. Der Ökostrom aus dem Zertifikatehandel zieht also nicht unbedingt den Bau von neuen Ökokraftwerken nach sich. Warum es dann gemacht wird? Weil die Zahl an Herkunftsnachweisen im Markt sehr hoch ist. Und das zu günstigen Preisen. Für viele Stromanbieter ist diese Praxis daher ein günstiger Weg, Ökostrom anzubieten, statt direkte Lieferverträge mit Ökokraftwerken abzuschließen.
Werden Herkunftsnachweise doppelt vermarktet?
Ein weiteres Problem: Nach einem Bericht der Zeit werden Zertifikate bisweilen zweimal verbucht, obwohl der Handel mit Herkunftsnachweisen eine Doppelvermarktung ausschließt. Dadurch könnte der Anteil an erneuerbaren Energien in Europas höher aussehen, als er tatsächlich ist. Ist ein Herkunftsnachweis bereits verbucht, zum Beispiel in der Klimabilanz eines Konzerns, dürfte er eigentlich nicht noch mal von einem deutschen Stromanbieter genutzt werden.
Deshalb ist es wichtig, dass dein Stromanbieter direkte Lieferverträge mit Ökokraftwerken schließt. Herkunftsnachweise und bestellte Menge passen hier zusammen – und du kannst dir sicher sein, wo dein Strom herkommt.
Hier wird Wirklich Ökostrom von Polarstern erzeugtGreenwashing über Stromkennzeichnung.
Auch durch die Stromkennzeichnung konnten Stromversorger lange Zeit ihre Strombeschaffung viel nachhaltiger erscheinen lassen, als sie tatsächlich war. Die Kennzeichnung verrät, aus welchen Quellen der Strom deines Tarifs erzeugt wird – und aus welchen Quellen dein Anbieter seinen Strom insgesamt beschafft. Diese Auskunft ist Pflicht. Nur konnten sich viele Versorger hier viel zu lange als Energiewende-Förderer aufmandeln, ohne einer zu sein. Grund dafür ist die EEG-Umlage. Die Stromanbieter mussten angeben, wie viel Ökostrom ihre Kund:innen durch die EEG-Umlage gefördert haben. Mit freiwilliger Förderung hatte dies nichts zu tun.
Bis Sommer 2022 mussten schließlich alle Verbraucher:innen eine EEG-Umlage für jede Kilowattstunde bezahlen, egal ob sie nun Ökostrom bestellt hatten oder nicht. Für Kund:innen sah es so aus, als ob der Versorger den Ausbau geleistet hätte. Dabei kam bei Anbietern mit vielen Kund:innen lediglich eine Menge bezahlte EEG-Umlagen zusammen. Seit Juli 2022 gibt es die EEG-Umlage nicht mehr. Damit verschwindet die Gelegenheit für Stromanbieter, eine Förderung auszuweisen, die nicht ihre ist.
Grüner Look durch Tarifvielfalt.
Ein Öko-Image verpassen sich Anbieter häufig auch über die Produktpalette. Im besten Fall bist du bei einem Anbieter, der wie Polarstern ausschließlich Ökoenergie anbietet. Viele andere Energieversorger werben auf ihren Websites mit Bildern von Windrädern und schöner Natur, haben aber hauptsächlich fossile Tarife im Programm. Man schmückt sich mit wenigen Ökostrom-Tarifen, mit dem Rest der Tarife macht man das Geschäft.
Die Ökostromangebote erscheinen neben den konventionellen Angebote preislich unattraktiv, wodurch die Wahl bei vielen Kund:innen doch aufs günstigere Angebot fallen dürfte – also auf den Kohlestrom. Oftmals gibt es auch mehrere Ökostrom-Tarife, manche mit Ausbau-Zertifikat, manche ohne. Dadurch wird die Verantwortung auf die Kund:innen abgeladen à la: Entscheide du, wie viel dir das Klima wirklich wichtig ist.
Grüner Ökostromanbieter, grauer Mutterkonzern.
Daneben sind aber auch die Besitzverhältnisse von Bedeutung. Manche Ökostromanbieter gehören zu Energiekonzernen, die vor allem mit fossilen Energieträgern Geld verdienen. Selbst wenn du einen guten Ökostrom-Tarif gefunden hast, unterstützt du dort am Ende indirekt auch einen Konzern, der mit fossiler Energie Geld verdient.
Der Anbieter deiner Wahl sollte daher eigentumsrechtlich nicht mit einem Konzern verflochten sein, der in fossile Energie investiert. Der Ökostrom-Report von Robin Wood oder der Ökostrom-Test von Öko-Test zeigt dir, auf welche Anbieter das Kriterium Unabhängigkeit zutrifft. In unserer Grafik erfährst du außerdem, welche Ökostrom-Marke zu welchem Konzern gehört.
Greenwashing über schwammige Siegel.
Zertifikate ziehen immer. Allerdings sollte man genau hinsehen, welches Siegel hier gezeigt wird. Bisweilen schmückt man sich mit einer Auszeichnung aus der Vergangenheit, die längst überholt ist. Wer Ökostrom aus erneuerbaren Energien finden und den Ausbau der erneuerbaren Energien fördern will, sollte auf die Zertifikate Grüner Strom Label, ok power oder das TÜV-Siegel achten. Die Zertifikate werden vom Umweltbundesamt empfohlen und kennzeichnen Ökostromtarife, die wirklich zu 100 % aus erneuerbaren Energien erzeugt werden und den Ausbau der erneuerbaren Energien fördern. Allerdings gibt es nicht viele Tarife mit starkem Siegel im Markt. 2022 hatten von über 1.100 Stromanbietern nur 75 einen Tarif im Programm, der mit einem entsprechenden Siegel zertifiziert war.
Auch das ist richtig: Es gibt Anbieter gibt, die in den Energiewende-Ausbau investieren und Tarife aus erneuerbarer Energie anbieten, ohne sich den erwähnten Siegel-Anbietern zertifizieren zu lassen. Deshalb solltest du bei der Wahl deines Anbieters auch renommierte Testberichte berücksichtigen. Zum Beispiel den Ökostrom-Test von Öko-Test oder den Ökostrom-Report der Naturschutzorganisation Robin Wood. Auch die Verbraucherplattform Utopia gibt eine gute Übersicht über die besten Ökostromanbieter.
Qualität egal, hauptsache Prämie.
Oft gibt es zu einem Ökostrom-Vertrag dicke Prämien dazu. Ein kleiner Wechselbonus als Willkommensgeschenk ist in jedem Fall okay. Doch oftmals gibt es eine ganze Tombola aus Küchenmaschinen, Fahrrädern bis hin zu Smartphones oder Tablets. Die Prämie gibt’s dann oft über eine Zuzahlung eines kleinen Betrags.
Zum Beispiel ein iPhone für ein paar Euro. Das klingt zu gut, um wahr zu sein. Ist es auch. Natürlich muss das ganze Teil bezahlt werden. Zum Beispiel über den monatlichen Grundpreis des Abschlags oder einer Mindestabnahmemenge von Strom. Das heißt: Entweder läuft der Vertrag so lange, bis die Prämie abbezahlt ist – oder du verpflichtest dich, dem Anbieter eine Mindestmenge an Strom abzunehmen. Da ist es vermutlich besser, sich das Teil einfach im Laden zu kaufen. Die Prämien-Praxis ist kein Greenwashing per se und dennoch: Die Prämie lenkt von der tatsächlichen Ökostrom-Qualität ab. Diese sollte bei der Tarifwahl immer an höchster Stelle stehen. Man muss sich also die Frage stellen, was man von seinem Stromanbieter eigentlich will: irgendein Gerät – oder einfach gescheiten Ökostrom.
Greenwashing durch Klima-Neutralität.
Bei einigen Ökostrom-Tarifen wird der Klimaschutz vom Tarif entkoppelt. Statt die Energiewende zu unterstützen, soll man über einen kleinen Betrag in ein Klimaschutzprojekt investieren. Zum Beispiel in Waldschutzinitiativen und Aufforstungsprogramme. Auch wenn es sich hierbei um wichtige Umweltschutzmaßnahmen handelt – der Ausbau der erneuerbaren Energien wird hier nicht gefördert. Der Ökostrom wird lediglich als klimaneutral vermarktet, obwohl ein Aufforstungsprojekt wahre Klimaneutralität kaum leisten kann.
Übliche Praxis im Gasmarkt.
Im Wärmemarkt war diese Praxis schon immer üblich. Gerade hier, wo der Anteil der erneuerbaren Energien dringend einen Schub braucht, werden vermeintlich klimaneutrale Tarife angeboten, hinter denen sich in Wahrheit herkömmliches fossiles Erdgas verbirgt. Das Gas darf als klimaneutral vermarktet werden, wenn sich Anbieter dazu verpflichten, das bei der Herstellung emittierte CO2 durch Klimaschutzprojekte zu kompensieren. Typisch sind Investitionen in Aufforstungsprojekte. Das Problem: Die Emissionen, die bei der Herstellung von Erdgas erzeugt werden, können nun mal nicht rückgängig gemacht werden. Und bis wirklich mal so viel neuer Wald entstanden ist, um den Emissionsschaden auszugleichen, sind wichtige Jahre im Kampf gegen die Klimakrise verloren. Da ist es besser, Emissionen direkt zu senken. Zum Beispiel mit Wirklich Ökogas von Polarstern, dass zu 100 % aus biogenen Abfall- und Reststoffen oder pflanzlichen Quellen erzeugt wird. Vergleichbare Angebote sind im Markt leider immer noch rar.
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Und bei uns so? Bei Polarstern findest du ausschließlich Ökoenergie, die in Deutschland produziert wird. Auf unserer Website zeigen wir dir sogar, in welchen Kraftwerken. Außerdem unterstützt du den Energiewende-Ausbau bei Polarstern wirklich. Für jede Kilowattstunde, die du nutzt, investieren wir 1 Cent in den Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere in die Photovoltaik auf Mehrparteiengebäuden. Und jedes Jahr investieren wir zusätzlich 20 Euro in die Energiewende in Kambodscha und Madagaskar. Denn es muss jetzt schnell gehen mit dem Klimaschutz.