Zum Inhalt

Warum Greenwashing die Klimaziele ernsthaft in Gefahr bringt.

Beim Greenwashing werden Produkte und Unternehmen grüner vermarktet, als sie tatsächlich sind. Die Auswirkungen sind noch viel gravierender als vermutet.

von Michael. - Lesezeit: 4 Minuten

Auslegungssache Klimaschutz.

Bei der Werbung scheint es so etwas wie eine stillschweigende Übereinkunft zwischen Werbetreibenden und Verbraucher:innen zu geben, nach der dick auftragen irgendwie okay sein soll. Jede:r weiß (hoffentlich), dass sich Butter nicht so schön rollen lässt wie in der Werbung. Dass Essen auch nur so schön aussieht, weil es mit Haarspray gepreppt wurde, oder dass Zähne nicht die Farbe von Malerweiß annehmen können.

Bei der Schönfärberei gibt es allerdings so etwas wie ein Ranking des Schadens. Grüngewaschene Produkte stehen dort ganz oben. Unter Greenwashing versteht man die Praxis, ein Produkt oder ein ganzes Unternehmen nachhaltiger darzustellen, als es ist. Typische Vermarktungsbegriffe sind klimaneutral, natürlich, biologisch abbaubar oder umweltfreundlich. Das Problem mit den Begriffen ist, dass sie höchst dehnbar sind. Auf manche Produkte trifft ein umweltschonend zu, auf andere eher weniger und auf viele vermutlich gar nicht. Die Begriffe sind kaum geschützt oder an Mindeststandards geknüpft, so wird Greenwashing oft zum leichten Spiel. Greenwashing-Produkte bestrafen jedoch nicht nur die Menschen, die auf das Produkt reingefallen sind – sondern praktisch alle.

Diese Greenwashing-Fallen gibt es
1,5-Grad Schriftzug mit grünem PInsel

Gefahr 1: Greenwashing gefährdet das 1,5-Grad-Ziel.

So bringen Greenwashing-Praktiken der großen Konzerne das globale Ziel*, die Erderwärmung auf ein noch erträgliches Maß zu drosseln, ernsthaft in Gefahr. UN-Generalsekretär António Guterres forderte längst, dass Klimaneutralität im Kampf gegen den Klimawandel keine bloße PR-Übung sein dürfe. Doch genau das sind sie viel zu oft. Viele Unternehmen haben sich Klimaneutralität bis spätestens 2050 zum Ziel gesetzt. Mit grüngewaschenen Produkten signalisieren Unternehmen, sie wären praktisch schon so weit. Mit Angeboten, die zum Beispiel klimaneutral oder emissionsfrei sein sollen. In der Realität werden die Emissionen aber nicht gedrosselt wie versprochen.

Verfehlen Unternehmen ihre Ziele?

Zu dieser Einschätzung kommt etwa der Corporate Climate Responsibility Monitor (CCRM). Im letzten Bericht von 2023 schnitten 15 von 24 untersuchten Unternehmen mit einer niedrigen bis sehr niedrigen Integrität ab. Eine hohe Integrität bedeutet, dass versprochene Maßnahmen auch eingehalten werden – eine geringe Integrität, dass die Ziele zwar prominent beworben werden, die Treibhausgase aber kaum gesenkt werden. Vor allem Unternehmen, die Klimaschutz besonders bewerben, machen laut der Untersuchung oftmals zu wenig. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die tatsächlichen Emissionsminderungen der Unternehmen nicht reichen, um das 1,5 Grad-Ziel einzuhalten. Denn wir sprechen hier nicht von irgendwelchen Unternehmen, sondern von globalen agierenden Konzernen (auch deutschen), die im Jahr 2019 zusammen vier Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verursacht haben – in der Summe circa 2,2 Milliarden Tonnen.

* Das Klimaziel.

Im Pariser Klimaabkommen haben sich die Staaten auf eine Erderwärmung von maximal 1,5-Grad im Vergleich zu vorindustrieller Zeit geeinigt. Jenseits des Schwellenwerts, so die Befürchtung, wird der Planet für uns Menschen nicht mehr lebensfreundlich sein. Laut Weltklimarat ist es 2023 global gesehen bereits 1,1 Grad wärmer – und viele Regionen werden jetzt schon zunehmend unbewohnbar. Selbst dem wasserverwöhnten Deutschland wird langsam bewusst, dass die Wasserversorgung ernsthaft in Gefahr ist.

Mehr über den Klimawandel erfahren

Gefahr 2: Greenwashing fördert Scheinlösungen gegen die Klimakrise.

Bei erfolgreichem Greenwashing, vor allem beim Werben mit Klimaneutralität, sieht es so aus, als würden Unternehmen Emissionen senken, dabei werden nur Scheinlösungen umgesetzt und Klimaschäden schöngerechnet. Zum Beispiel durch den Handel mit CO2-Zertifikaten, mit denen zwar Klimaschutzprojekte unterstützt werden – die aber nicht dazu verpflichten, selbst Emissionen aktiv zu senken. Die Klimaschutzprojekte können den durch die Emissionen entstandenen Schaden kaum gut machen.

Junger Nadelbaum im Wald

Aufforstungsprojekte.

Typisch sind dabei Aufforstungsprojekte. Neue Bäume sollen das CO2 binden, das die Unternehmen emittieren. Doch bis die Bäume ausgewachsen genug sind, um CO2 zu kompensieren, vergehen wichtige Jahre im Kampf gegen die Klimakrise. Außerdem reicht eine Erde gar nicht für die ganzen Bäume aus, die es bräuchte, um die Emissionen der Unternehmen auszugleichen. Das CO2 muss jetzt runter. Und dazu dürfte man fossile Energieträger nicht mehr fördern, ganz einfach. Und trotzdem schreibt man sich das gesteckte Ziel einfach jetzt schon mal auf die Verpackung. Natürlich, emissionsfrei, klimaneutral. Problem gelöst? Eben nicht.

Gerichte entscheiden zunehmend für den Klimaschutz.

Aus diesem Grund verbieten zunehmend Gerichte, Aufforstung mit Klimaneutralität gleichzusetzen. So darf etwa ein bekannter Energie-Großkonzern ein bestimmtes Heizöl-Produkt nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe nicht mehr als klimaneutral bewerben, weil Aufforstung den Klimaschaden durch die entstandenen Emissionen kaum ausgleichen kann. Ob und in welchem Maße ein Klimaschutzprojekt tatsächliche Emissionen kompensiert, ist nur schwer nachzuweisen. Und prinzipiell stoppen Kompensationsprodukte die Förderung und Verbrennung von fossilen Energieträgern nicht. Kritisiert wird auch, dass nur die CO2-Emissionen berücksichtigt werden, die bei der Verbrennung verursacht werden, nicht aber die Emissionen, die insgesamt in der Lieferkette ausgestoßen werden. Fun Fact: Das „klimaneutrale“ Öl war 1 Cent pro Liter teurer.

Carbon Capture and Storage Technologies (CCUS).

Problematisch im Umgang mit dem Begriff Klimaneutralität sind Techniken zur Kohlendioxidspeicherung, sogenannte Carbon Capture and Storage Technologies (CCUS). Mit dem Versprechen die Technologien zu fördern, verpasst man sich ebenfalls ein grünes Image. Auch wenn die Technologie im Kampf gegen die Klimakrise dringend gebraucht wird – sie wird als Rechtfertigung genutzt, um weiterhin Öl und Gas zu fördern und zu verbrennen. Dabei kann der Kampf gegen die Klimakrise nur gewonnen werden, wenn man einfach die Finger von den fossilen Energieträgern lässt. Der Klimaschaden durch Emissionen lässt sich nicht rückgängig machen.

Gefahr 3: Greenwashing zerstört Vertrauen in Nachhaltigkeit.

In einer Umfrage des Nürnberg Instituts für Marktentscheidungen (NIM) waren Befragte durchschnittlich bereit, 10 % mehr für ein Produkt auszugeben, wenn CO2 tatsächlich vermieden oder kompensiert wird. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam das Marktforschungsinstitut YouGov. Umso mehr verlangen Verbraucher:innen zurecht, dass die Versprechen auch eingehalten werden. So gaben etwa bei der NIM-Umfrage 72 % der Teilnehmer:innen an, dass sie nicht von Unternehmen kaufen möchten, denen Greenwashing vorgeworfen wird.

Ein Problem dabei ist, dass das Greenwashing der einen Unternehmen, die Glaubwürdigkeit der anderen Unternehmen gefährdet, die sich wirklich nachhaltiger aufstellen wollen. Für Konsument:innen bleiben die Unterschiede aber intransparent. Und klar ist auch: Die Transformation der Wirtschaft ist eine enorme Herausforderung. Es sind enorme Anstrengungen nötig, um ganze Branchen umzukrempeln und nachhaltiger und sozialer zu wirtschaften, da kann man gar nicht alles von 0 auf 100 richtig machen. Entscheidend ist aber, dass der Wille zu Veränderung nicht als Ist-Zustand auf die Verpackung geschrieben wird, sondern auch ehrlich vorangetrieben wird.

So erkennst du wirklich bessere Unternehmen.

Unternehmen, die wirklich an sich arbeiten, erkennt man als Konsument:in zum Beispiel an den Unternehmens-Zertifikaten B Corp und Gemeinwohl-Ökonomie. Unternehmen, die so zertifiziert sind oder sich im Zertifizierungsprozess befinden, arbeiten an sich, wirklich nachhaltiger und gemeinwohlorienterter zu wirtschaften. Der ökologische und gesellschaftliche Mehrwert ist keine Hülse, sondern wird bei beiden Zertifizierungen von externen Auditor:innen geprüft. Wichtiger Bestandteil von B Corp und der Gemeinwohl-Ökonomie ist, dass sie dem Prinzip der Gewinnmaximierung und dem Shareholder-Prinzip ablehnend gegenüberstehen. Für die Erreichung der Klimaziele ist dieser Ansatz wesentlich. Denn Shareholder wollen in der Regel in Geld ausbezahlt werden, und nicht in intakter Natur. Neben den Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima stehen bei den Zertifizierungen genauso Unternehmensführung, Mitarbeiterrechte und der Bezug zur Gesellschaft im Mittelpunkt.

Polarstern ist sowohl von B Corp als auch von der Gemeinwohl-Ökonomie zertifiziert. Damit du noch mehr Unternehmen mit Zertifizierung findest, haben wir extra eine Map erstellt. Eine Landkarte mit Social Businesses in Deutschland. Darunter sind auch viele Polarstern-Partner.

Zur Social-Business-Map

EU plant Anti-Greenwashing-Gesetz.

Weil Greenwashing die Klimaziele ernsthaft gefährdet, plant die EU-Kommission ein Anti-Greenwashing-Gesetz. Mit der Green Claims Directive, wie der Gesetzentwurf heißt, sollen Mindeststandards für nachhaltige Produkte und Labels definiert werden. Schon 2020 ergab eine Studie der Kommission, dass bei über der Hälfte der Produkte in der EU kaum nachvollziehbar ist, was an diesen nun umweltfreundlich sein soll. Die EU fordert, dass Unternehmen künftig wissenschaftliche Belege vorweisen müssen, wenn Produkte als umweltfreundlich oder klimaneutral vermarktet werden. Verstöße können laut Entwurf mit Bußgeldern von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes bestraft werden. Die EU möchte mit der Direktive auch Unternehmen schützen, die Umwelt- und Klimaschutz wirklich ernst nehmen.

EU hat ebenso ein Greenwashing-Problem.

Leider ist auch die EU derzeit für eines der größten Greenwashing-Beispiele verantwortlich: Nach der EU-Taxonomie wird die Atomkraft und fossiles Erdgas als ökologisch nachhaltig eingestuft. Die Energieträger sollen auf dem Weg in die Klimaneutralität als Brückentechnologie dienen. Mit dem Label nachhaltig lassen sich leichter Investitionen anziehen. Nur hat die Verbrennung von fossilem Erdgas neben Öl und Kohle überhaupt erst zur Misere geführt, in die sich die Welt nun befindet. "Brückentechnologie" bedeutet hier einfach nur: noch mehr Emissionen, noch mehr Gewinne für die Fossil-Industrie. Das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, wird die EU so nicht erreichen.

Wirklich Ökostrom.

Greenwashing gibt es auch bei Ökostromtarifen. Die wenigsten Tarife fördern aber wirklich die Energiewende und viele Anbieter beziehen nicht mal die verkaufte Grünstrommenge selbst aus Ökokraftwerken. Möglich machen es Herkunftsnachweise für Ökostrom, mit denen Energieversoger bestimmte Mengen an Graustrom als grün vermarkten dürfen.

Das muss echter Ökostrom können.

Echter Ökostrom sollte immer zu 100 % aus erneuerbaren Energien stammen und nachweislich den Ausbau der erneuerbaren Energien fördern. Diese Tarife erkennst du zum Beispiel an den Siegeln ok power und Grüner Strom-Label. Wie macht’s Polarstern? Bei uns gibt es nur Ökoenergie aus Deutschland. Und für jede Kilowattstunde Wirklich Ökostrom, die du nutzt, investieren wir 1 Cent in den Ausbau der erneuerbaren Energien – vor allem in die Photovoltaik. Außerdem investieren wir pro Jahr und Kund:in in die Energiewende in Kambodscha und Madagaskar. Denn die Klimakrise ist eine weltweite Aufgabe. Wir können sie nur gemeinsam meistern.

Wie du echten Ökostrom erkennst
Portrait von Michael.

Michael. | Team Wirklich

E‑Mail:  michael@polarstern-energie.de

Michael ist ein alter Hase im Marketing-Team und schon seit 2012 dabei. Als Online-Redakteur stammen viele Texte auf unserer Seite und im Polarstern Magazin aus seiner unverwechselbaren Feder.