Die größten Missverständnisse über CO2.
Viel CO2 ist super für die Pflanzen? Die Menschen atmen zu viel? Und die Sonne ist Schuld am Klimawandel? Wir zeigen gängige Behauptungen über CO2, die den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel runterspielen sollen. Außerdem erklären wir, welche Funktion CO2 eigentlich hat, was passiert, wenn man zu viel davon hat – und wie wir es wieder loswerden.
von Michael. - Lesezeit: 7 Minuten
Die Funktion von CO2.
Der Kohlenstoffkreislauf ist wie die Blutbahn der Erde – ohne ihn gäbe es kein Leben. Wir Menschen atmen wie alle Lebewesen die Kohlenstoff-Sauerstoff-Verbindung CO2 aus, und die Pflanzen stellen daraus mit Licht und Wasser Sauerstoff und Glucose her. Atmung, Fotosynthese, Fotosynthese, Atmung. Die anderen Erdsphären sind in einem ähnlichen permanenten Austausch. Es gibt Kohlenstoffsenken wie etwa Böden, Moore und Wälder, die Kohlenstoff binden – und es gibt Kohlenstoffquellen, die den Stoff in Form von CO2 freisetzen. Dazu gehört etwa die Verrottung von Biomasse.
CO2 hat auch eine entscheidende Funktion für unser Klima. Als natürliches Treibhausgas sorgt es für die Erdtemperatur, wie wir sie kennen. Es nimmt einen Teil der Wärme auf, die die Erde ins All abgibt und schickt sie zurück zur Erde. Ohne den Treibhauseffekt, läge die Erdtemperatur im Durchschnitt laut Umweltbundesamt statt 15 °C bei -18 °C.
CO2: Die Dosis macht's.
Problematisch wird es, wenn plötzlich mehr CO2 ausgestoßen wird, als für den natürlich Kreislauf vorgesehen ist. Und genau dafür haben die Menschen gesorgt. Es begann, als die Menschheit im großen Stil die Wälder abholzte. Und es artete aus, als sie anfing, Erdöl, Erdgas und Kohle zur Energiegewinnung zu verbrennen. Der Boden ist eine natürliche Kohlenstoffsenke, doch durch Abholzung wird der Kohlenstoff als CO2 freigesetzt. Auch fossile Energieträger sind eigentlich nichts anderes als tote Pflanzen. Verbrennt man sie, wird ebenfalls CO2 frei. Und so ist der CO2-Gehalt in der Atmosphäre laut Umweltbundesamt (UBA) seit Beginn der Industrialisierung um etwa 44 % gestiegen.
Diese Überdosis an CO2 und anderen Treibhausgasen schwächt die Doppel-Funktion der Atmosphäre als Sonnenschirm und Heizung. Sie lässt das Sonnenlicht durch, ohne das wir nicht existieren könnten und hält die UV- und Röntgenstrahlung ab. Gleichzeitig sorgen natürliche Treibhausgase dafür, dass die Wärmestrahlung der Erde nicht komplett wieder ins All zurückgeschickt wird. Eine hohe Konzentration an Treibhausgasen bringt das Gleichgewicht durcheinander: Zu viel Wärmestrahlung wird auf der Erde behalten und zu wenig geht zurück Richtung All. So als würde das Schiebedach klemmen. Und so wird es immer wärmer und wärmer. Trotzdem tauchen immer wieder Missverständnisse über die Funktion von CO2 auf. Wir haben die wichtigsten gesammelt.
Die größten Missverständnisse über CO2 und den Kohlenstoffkreislauf.
1. Die Natur heizt das Klima selbst auf.
Der Beitrag der Menschheit zur CO2-Menge wird immer noch als gering eingeschätzt. Und tatsächlich gehen laut IPCC rund 98 % der CO2-Emissionen auf das Konto der Natur, auch auf uns Menschen als atmende Wesen. Nur ist dies eben ein geschlossener Kreislauf. Die übrigen 2 %, die die Menschheit dem natürlichen Kreislauf zusätzlich aufbürdet, sind ein Mehr von Aber-Milliarden Tonnen CO2 – laut IPCC rund 18,8 Milliarden Tonnen. Man braucht überhaupt nicht die Schuld bei der Natur suchen, denn sie hat uns bislang vor Schlimmerem bewahrt. Die Wälder, Ozeane, Moore, Böden und Pflanzen nehmen uns das CO2 ab, das wir der Atmosphäre mit unserem Konsum hinzufügen. Und die Leistung der Natur als Kohlenstoffsenke ist auch nicht unbegrenzt. Allein im Jahr 2023 musste die Atmosphäre laut Global Carbon Project einen CO2-Überschuss von 36,8 Milliarden Tonnen aufnehmen.
2. Das Meer ist Schuld.
Der Ozean nimmt laut Global Carbon Project etwa ein Viertel unserer Treibhausgase auf. Da einige Regionen des Ozeans auch natürliche Kohlenstoffquellen sind, wird sogar dem Meer eine Rolle bei der Verursachung des Klimawandels zugeschrieben - allerdings gibt es netto keinen Kohlenstoff ab. Was wir aber den Meeren zusätzlich hinzufügen, lässt sie zunehmend erwärmen und versauern. Außerdem gelangt über die Flüsse Dünger ins Meer, der den Sauerstoffmangel im Wasser verstärkt. Längst gibt es in den Ozeanen Zonen, die so sauerstoffarm sind, dass Fische dort nicht überleben können. Mit der Erderwärmung und der Zufuhr von Kunstdünger aus der Landwirtschaft in die Meere breitet sich eine Algenblüte aus, die natürlicherweise der Umgebung beim Absterben Sauerstoff entzieht. Seit den 60er Jahren sollen die Zahl der Todeszonen in den Meeren laut UN auf rund 400 Zonen angewachsen sein, die zusammen ein Gebiet von rund 245.000 Quadratkilometern umfassen.
3. CO2 ist gut für die Pflanzen.
Das Argument, viel CO2 wird die Welt retten, da die Pflanzen es brauchen, fällt immer wieder. Tatsächlich ist die weltweite Photosynthese-Leistung laut einer Studie der University of California in Berkeley zwischen 1982 und 2020 um 12 % gestiegen. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Pflanzen unsere CO2-Emissionen abfedern können. Sie meinen es gut mit uns. Wir sollten uns nicht einreden, dass wir mit unserem CO2-Ausstoß auch gut zu den Pflanzen sind. Der Klimawandel killt sie. Die Hitze trocknet die Böden und Pflanzen aus und fächert Waldbrände an. Auch der Insekten- und Pilzbefall nimmt mit steigender Erderwärmung zu. Wenn Wald verloren geht, wird noch mehr CO2 freigesetzt. Die Regenwälder sind längst nicht nur CO2-Senken – sie sind teilweise selbst zu Quellen geworden. Und mit "schnell mal neue Bäume pflanzen" ist es nicht getan. Bis frischer Wald zur effektiven Kohlenstoffsenke heranwächst, dauert es Jahrzehnte. Die Zeit haben wir nicht mehr. Und es ist nicht abgemacht, dass neue Wälder den Klimawandel bis zu ihrem Erwachsenenalter überleben. Nein, niemand trägt mit seinem hohen CO2-Fußabdruck zum Umwelt- und Klimaschutz bei.
Mehr über CO2 und Wälder erfahren4. Du atmest zu viel!
Laut co2online atmen Menschen zwischen 168 und 2.040 Kilogramm CO2 pro Jahr aus – je nach Körperbau und Aktivitätslevel. Manchmal hört man, die Menschen bringen mit ihrer eigenen Atmung den natürlichen Kohlenstoffkreislauf durcheinander. Auch wenn die Weltbevölkerung wächst: Die Atmung gehört zu einem geschlossenen Kreislauf und hat mit unserem CO2-Fußabdruck nichts zu tun. Denn dieser beschreibt immer nur das CO2, das wir der Atmosphäre mit unserem Konsum zusätzlich zum natürlichen Kohlestoffkreislaufs hinzufügen. Das CO2, das wir ausatmen, war schon da. Es war als Kohlenstoff in unserer Nahrung gebunden. So sind Lebewesen erst einmal klimaneutral. Im Gegensatz dazu werden bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern oder der Abholzung von Wäldern die Langzeitspeicher von CO2 geplündert und freigesetzt, die das Gleichgewicht zerstören.
5. Die Sonne ist Schuld.
Wenn gar nichts mehr hilft, hat die Sonne eben die Hausaufgaben gefressen. Tatsächlich ist die Sonne als Energielieferant mal mehr, mal weniger aktiv. Und natürlich hat sie die Power, das Klima zu verändern. Laut einem Bericht des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zeigen Messdaten von Satelliten, dass die Sonnenaktivität seit Messbeginn eher abgenommen hat. Die Erde hat sich aber nicht analog zur Sonnenaktivität abgekühlt, sondern erwärmt.
6. Ist doch schön, wenn’s wärmer wird.
Vielleicht freut sich tatsächlich ein Energiekonzern über die ganzen schönen Rohstoffe, die mit der Erderwärmung und dem Schmelzen des Eises zugänglich werden. Vielleicht träumt ein deutscher Urlauber von Palmen vor der Haustür. Doch sind diese Gedanken schon besonders kurzsichtig. Im Englischen spricht man von einem Clusterf**k, wenn alles gleichzeitig schiefgeht und niemand mehr auseinanderklamüsern kann, welche Ursache nun zu welcher Wirkung geführt hat. Dieses Szenario erwarten Wissenschaftler:innen ab einer Erderwärmung von 1,5 °C. Laut Weltorganisation für Meteorologie wird die Erderhitzung vermutlich schon in den nächsten fünf Jahren durchschnittlich über der 1,5 Grad-Grenze liegen. Jenseits der 1,5 °C werden Kettenreaktionen von Kippelementen im Klimasystem erwartet, die die Erderwärmung nicht mehr linear, sondern sprunghaft auf ein höheres Niveau heben. Das Tempo der klimatischen Prozesse ist dann nicht mehr zu bremsen, selbst wenn die Menschheit dann klimaneutral lebt. Und deshalb kommt es auf jede Kommastelle an – und auf jede heute umgesetzte Klimaschutzmaßnahme.
Die besten Techniken für einen gesunden CO2-Kreislauf.
Wenn wir ein erträgliches Klima für unsere Erde beibehalten wollen, müssen wir den Kohlenstoffkreislauf wieder in die richtige Bahn lenken, indem wir nicht immer wieder neues CO2 obendrauf packen. Neben der Umstellung aller Sektoren auf erneuerbare Energien gibt es vielversprechende Ideen, der Atmosphäre aktiv CO2 zu entziehen.
1. CCS: Carbon Capture and Storage.
Allgemein wird beim CCS-Verfahren CO2 aufgefangen und geologisch gespeichert. Als Lagerplatz eignen sich zum Beispiel ausgediente Öl- und Gasfelder. Die Felder sind bereits erschlossen – und man bringt das CO2 an einen Ort zurück, wo man es einst herausließ. Die Speicherung von CO2 ist bereits Praxis, zum Beispiel in der Barentssee.
2. Bio Energy with Carbon Capture and Storage (BECCS).
Ein spezielle Methode zum Speichern von CO2 ist das BECCS-Verfahren. Dabei wird Biomasse, zum Beispiel Pflanzen, zur Energiegewinnung verbrannt. Das CO2, das in den Pflanzen gebunden war, wird aber nicht freigesetzt, sondern abgeschieden und im Untergrund gespeichert. Das Verfahren ist somit klimaneutral - und verursacht sogar negative Emissionen. Von diesen spricht man, wenn man nicht nur CO2-Emissionen verhindert, sondern aktiv der Atmosphäre entzieht. Das BECCS-Verfahren hat allerdings mehrere Haken. Es ist teuer, benötigt viel Anbaufläche für Pflanzen und belastet die Biodiversität.
3. Enhanced Rock Weathering (ERW).
Das Enhanced Rock Weathering-Verfahren soll dagegen bereits vorhandene Ackerflächen nutzen. Hier wird Steinstaub von Basaltgestein auf Felder verteilt, um CO2 aus der Luft zu binden. Laut einer Studie, die im Fachmagazin Nature veröffentlicht wurde, könnte das Verfahren jährlich zwei Milliarden Tonnen CO2 aus der Luft filtern und so ein Viertel der Treibhausgase aus der Landwirtschaft verhindern. Der Vorteil des Verfahrens ist, dass das Basaltgestein im Bergbau sowie bei der Herstellung von Zement und Stahl als Nebenprodukt anfällt. Es kann außerdem als Dünger genutzt werden und der Versauerung der Meere entgegenwirken, wenn es über Flüsse dorthin gelangt. Der Nachteil des Verfahrens ist, dass die Förderung, die Aufbereitung und der Transport des Gesteins einen großen ökologischen Fußabdruck verursacht.
4. Direct-Air-Capture-Technologie.
Bei der Direct-Air-Capture-Technologie (DAC) saugen Maschinen aktiv CO2 aus der Luft. Eine Studie in Nature Climate Change geht davon aus, dass die Technik schon 2035 so weit ausgereift ist, um jährlich 3 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen. Allerdings ist der Energie- und Wassereinsatz enorm: Um eine Tonne CO2 aus der Luft zu filtern, werden laut Mercator Institut für Klimawandelforschung rund 250 Liter Wasser und 1.000 Kilowattstunden Strom benötigt. Mit zunehmendem Ausbau der erneuerbaren Energien und technologischer Weiterentwicklung wird die Technik aber immer effizienter. Ein Vorteil der DAC-Technologie ist, dass sie wenig Fläche in Anspruch nimmt.
5. Bauen mit Holz.
Weil Holz eine effektive Kohlenstoffsenke ist, gilt die Holzbauweise ebenso als eine vielversprechende Chance, der Atmosphäre aktiv CO2 zu entziehen. Laut Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) können allein in einem fünfstöckigen Wohngebäude aus Brettschichtholz bis zu 180 Kilogramm Kohlenstoff pro Quadratmeter gespeichert werden. Es wäre zwingend: Die Weltbevölkerung wächst, die Urbanisierung schreitet voran, und alle brauchen eine Unterkunft. Nur ist das Bauen mit Beton und Stahl besonders Treibhausgas-intensiv. Allein die Zementindustrie verursacht laut WWF 8 % der weltweiten CO2-Emissionen.
Reicht das Holz?
Die Frage ist, ob das Holz reicht, wenn die Wälder ohnehin im Kampf gegen den Klimakollaps gebraucht werden. Eine Studie von Galina Churkina und Kolleg:innen im Fachmagazin Nature Sustainability hat ergeben, dass weltweit genügend Material vorhanden ist, um den Holzeinsatz im Gebäudebau bis 2050 um 10 % zu steigern. Wenn weltweit die Bodenfläche pro Person nicht mehr steigt, könnte die Quote um 50 % gesteigert werden. Und sogar um 90 %, wenn auch weniger industrialisierte Staaten ihre Bauweise umstellen würden.
Wie wohnen wir in der Zukunft?Wie du selbst effektiv CO2 reduzierst.
Die Techniken könnten schon zur Mitte des Jahrhunderts so weit ausgereift sein, dass sie einen weiteren CO2-Anstieg signifikant verhindern. Die Zeit zurückdrehen können sie aber auch nicht. Vor allem dann nicht, wenn die 1,5-Grad-Grenze schon überschritten ist. Wir müssen jetzt vom CO2 runterkommen. Das wichtigste Instrument ist der Einsatz von erneuerbaren Energien in allen Sektoren. Diese Entwicklung sollten wir als Privatmenschen mittragen. Von der persönlichen Mobilität bis zum Einkauf – jede:r kann sofort und ziemlich einfach CO2 reduzieren. Die besten Tipps haben wir hier zusammengefasst:
CO2 senken – 7 einfache TippsNutz deine Energie – und senke ein Viertel deines CO2-Fußabdrucks.
Und wer erneuerbare Energie in Form eines echten Ökostrom- oder Ökogas-Tarifs bezieht, zeigt der Politik und Wirtschaft die Unterstützung für die Energiewende. Außerdem kannst du mit dem Bezug von Wirklich Ökostrom und Wirklich Ökogas deinen persönlichen CO2-Fußabdruck schon um bis zu einem Viertel senken. Mach’s – es ist zu einfach.