Müll am Strand und im Meer: Was kann ich dagegen tun?
von Michael. - Lesezeit: 6 Minuten
Wie kommt der Müll ins Meer?
Da bist du ein Mal unaufmerksam und lässt dir dein Obst doch in der Plastiktüte geben. In so eine fiese kleine, die knistert und raschelt und dünn ist. Eine Tüte, die beim ersten Windstoß abhebt und wieder runterknallt wie ein verunglückter Kite. Die sich aufbläst, über die Wiese rollt und im Fluss landet. Und da fließt sie dahin. Vielleicht bis zum Meer. Gemeinsam mit Plastikflaschen, Strohhalmen, Kippen, Bechern – allem was einem Menschen mal absichtlich, mal unabsichtlich aus der Hand fliegt.
Laut einer Studie, die in Nature Communications veröffentlicht wurde, gelangen jedes Jahr 1,15 bis 2,41 Millionen Tonnen Plastik über Flüsse ins Meer. Allein der Rhein soll laut Naturschutzbund Deutschland (NABU) jedes Jahr rund 380 Tonnen Plastik in die Nordsee spülen. Der übrige Müll im Meer gelangt vor allem über die Küsten und die Schifffahrt ins Wasser.
Wie viel Müll ist im Meer?
Wie viel Müll mittlerweile im Meer schwimmt, sinkt und verrottet, lässt sich kaum fassen. Das Umweltbundesamt beruft sich auf Schätzungen, nach denen bis zu 142 Millionen Tonnen Müll im Meer schwimmen könnten. Jedes Jahr kommen wohl rund 10 Millionen Tonnen an Abfällen dazu. Im Pazifik, Atlantik und im Indischen Ozean spülen die Strömungen den Müll zu riesigen Teppichen zusammen. Der größte davon, der Great Pacific Garbage Patch soll dreimal so groß sein wie Frankreich. Und das ist nur die Oberfläche. Laut Umweltbundesamt sinken etwa 70 % des Mülls zu Boden. Nur 30 % bewegen sich an der Oberfläche oder werden an den Strand gespült.
Plastik tötet Tiere.
Vor allem die Tiere leiden an der Vermüllung. Die Schockbilder von Vögeln mit Feuerzeugen und Kippen im Magen, von Walen mit ganzem Hausrat im Bauch, sind keine Fakes. Viele Tiere fressen das Zeug oder verheddern sich daran und verenden. Neben den groben Müllstücken gibt es noch das Mikroplastik. Es steckt zum Beispiel in unserer Kosmetik oder gelangt über den Abrieb von Autoreifen in die Umwelt. Auch Sonne, Wasser und Salz zersetzen größere Plastikteile im Meer zu kleineren Partikeln. Was die giftigen Inhaltsstoffe mit den Tieren und letztlich mit uns anrichten, wenn wir die Stoffe wieder über die Nahrung aufnehmen, lässt sich schwer abschätzen. Man geht davon aus, dass sie Krankheiten auslösen und Hormone und Erbgut durcheinanderbringen können.
CO2: Der unsichtbare Müll im Meer.
Und dann ist da noch der andere Müll, der unsichtbare: CO2 und andere Treibhausgase. Der Klimawandel und die Treibhausgase wirken sich extrem auf die Meere aus. Dass uns das bislang nicht sonderlich auffällt, liegt daran, dass wir nicht im Meer leben müssen. In den Weltmeeren nehmen die Hitzewellen aber ebenso zu wie an Land. Die Tiere zieht es dann in kältere Gewässer, wo sie kaum Nahrung finden.
Todeszonen.
Immerhin haben wir an Land noch nicht mit Todeszonen zu kämpfen. Das sind Gebiete, in denen der Sauerstoffgehalt so gering ist, dass die Meerestiere kaum atmen können. Diese Zonen sind in tieferen Gewässern üblich, durch den Klimawandel und der Verschmutzung der Meere mit Kunstdünger gibt es aber immer mehr dieser Gebiete. Laut UN ist ihre Zahl seit den 60er Jahren auf 400 Zonen angewachsen, die zusammen ein Gebiet von rund 245.000 Quadratkilometern umfassen. Eine Ursache für die Zunahme der lebensfeindlichen Gebiete liegt in der Algenblüte, die sich durch die Erderwärmung, ebenso durch den Kunstdünger aus der Landwirtschaft leichter verbreiten kann. Wenn die Pflanzen absterben, werden sie von Bakterien zersetzt. Das entzieht der Umgebung den Sauerstoff. CO2 wirkt sich aber auch ganz direkt auf den Zustand der Meere aus. Durch die hohe CO2-Konzentration sinkt der ph-Wert des Wassers. Das Wasser wird saurer, was wiederum Tiere wie Muscheln und Korallen angreift.
Wir müssen selbst zu Meeresschützer:innen werden.
Zum Schutz der Meere gibt es Projekte wie The Ocean Cleanup, das den Müll im großen Stil aus dem Meer fischt. Es gibt immer mehr Unternehmen, die den Plastikmüll nutzen, um ihre Produkte daraus herzustellen. Aber das reicht nicht. Was aus dem Meer rausgeholt wird, löst das Problem nicht. Zumal sich Plastik zu immer kleineren Partikeln zersetzt, aus denen man keine Jacke mehr stricken kann. Wir brauchen eine bessere Müllentsorgung, bessere Recyclingquoten, bessere Kontrollen von Häfen, Industrie und Tourismus. Aber letztlich hängt es von jedem Einzelnen ab, wie viel Müll wir aufs Meer und die Menschheit loslassen. Jede:r von uns muss mit dem Meeresschutz anfangen. Zu Hause. Hier ist das Starter-Kit.
Was kann man gegen den Müll im Meer und am Strand tun?
Tipp 1: Vermeide Plastikmüll.
Die wichtigste Regel lautet: Gar nicht erst neuen Müll entstehen lassen. Im Alltag kommt wirklich jede:r ohne Plastiktüten, eingepacktes Gemüse, Einweggeschirr oder Plastikflaschen aus. Es gibt für alles Mehrweglösungen, und die Umstellung auf mitgebrachte Glasflaschen, Thermosbecher oder Stoffbeutel ist wirklich nicht schwer. Außerdem gibt inzwischen zig verpackungsfreie Supermärkte in Deutschland. Eine Liste findest du zum Beispiel beim NABU. Auch ausgeklügelte Pfandsysteme für einen Coffee-to-go oder für Take-Away-Essen setzen sich allmählich durch, zum Beispiel von ReCup und ReBowl.
Nutze Naturkosmetik und Naturfasern.
Achte auch auf das versteckte Plastik. Das verflixte Mikroplastik steckt in vielen Produkten des Alltags, zum Beispiel in Kosmetik- und Pflegeprodukten. Vielleicht kennst du diese kleinen Kügelchen in Peelings, die die Haut so schön straffen. Das ist natürlich Plastik. Täglich fließt das Zeug in Abermillionen Haushalten ins Abwasser, wo es sich nicht mehr herausfiltern lässt. Nimm deshalb lieber echte Naturkosmetik-Produkte. Bei Kleidung ist es ähnlich. Bei Kunstfasern wie Polyester, Mikrofaser oder Elasthan gelangen beim Waschen jede Menge Mikroplastik ins Abwasser. Setz also lieber auf Kleidung aus Naturfasern, wenn du dir was Neues kaufst. Zu den Naturfasern zählen zum Beispiel Baumwolle, Wolle, Lyocell, Tencel oder pflanzlicher Viskose.
Tipp 2: Reduziere CO2.
Im Alltag gibt es so viele Möglichkeiten, CO2 zu reduzieren. Der einfachste und schnellste Weg CO2 zu reduzieren, ist der Wechsel zu Ökostrom. Jede:r reduziert so seinen CO2-Fußabdruck mehrere hundert Kilogramm pro Jahr. Was schaffst du?
Berechne es hier
Fahr außerdem Fahrrad oder mit den Öffentlichen, flieg nicht mit dem Flugzeug und wenn doch, kompensiere das CO2 für einen Flug über Atmosfair. Kauf regional, iss weniger Fleisch- und Milchprodukte. Kauf bei Kleidung lieber Qualität und trage sie dafür lange. Und wenn du motorisiert unterwegs bist, nutze die eigene Muskelkraft oder ein Fahrzeug mit Elektroantrieb.
Fischkonsum und seine Folgen.
Es geht natürlich nicht nur darum, was wir dem Meer hinzufügen, sondern was wir ihm entnehmen. Die Fischereiindustrie rottet die Arten aus und bringt das ökologische Gleichgewicht durcheinander; wir fischen den Fischen schlicht das Essen weg. Der nachhaltige Fischfang suggeriert, das alles in bester Ordnung sei, aber kontrollieren kann das niemand. Wer was wann auf den Meeren anstellt, kann keine Zertifizierungsstelle überprüfen. Und eine überfischte Spezies wie der Thunfisch lässt sich von vornherein nicht nachhaltig fangen. Überfischt ist überfischt. Auch Fische aus der Zucht lösen das Problem nicht, weil sie selbst mit Fischprodukten gefüttert werden. Und letztlich essen wir über die Fische mit, was wir ins Meer schmeißen: unseren eigenen Müll. Apropos: ein Großteil des Mülls in den Meeren besteht aus sogenannten Geisternetzen. Das sind ausrangierte Fischernetze, die zu weiteren Todeszonen für die Tiere werden. Die aktiven Netze wiederum zerstören die Meeresvegetation genauso wie Bagger Regenwälder vernichten.
Tipp 3: Nimm nicht nur deinen Müll mit.
Wenn wir zum Baden ins Meer oder in den See gehen, sind wir Gäste in einer anderen Welt. Benehmen wir uns so! Das heißt: Nichts ins Wasser werfen, nichts am Strand oder an den Flussufern liegen lassen, und überhaupt nie wieder irgendwo etwas liegen lassen. Wer cool ist, nimmt auch Müll von anderen mit und gewöhnt sich die Gehört-mir-nicht-interessiert-mich-nicht-Attitüde ab. Der Müll von anderen ist immer auch unser eigenes Problem.
Tipp 4: Mach bei Beach CleanUps mit.
Es gibt immer mehr Events, bei denen Gruppen Müll an Flussufern oder Stränden sammeln. Cleanups machen Spaß und sind gleichzeitig große Statements. Strand- oder Flussbesucher:innen sehen zu, wie andere Müll aufräumen, vielleicht sogar ihren eigenen. Das bleibt hängen. Es geht nicht darum, jedes Teil aufzusammeln. Es geht darum, ein Bewusstsein zu schaffen. Für andere – und sich selbst. Bei Polarstern veranstalten wir auch regelmäßig Cleanups in München. Mit vielen großartigen Partnern wie etwa Sea Shepherd, die Surfrider Foundation, Viva con Agua und vielen mehr.
Tipp 5: Trenne deinen Müll.
Laut Plastikatlas der Heinrich-Böll-Stiftung werden in Deutschland nur 16 % des Plastikmülls auch wirklich recycelt. Der Rest wird verbrannt oder verschifft. Deutschland ist sogar der drittgrößte Exporteur von Plastikmüll. Hauptgrund: Die Produktion von neuem Kunststoff ist häufig günstiger als das Sortieren und Aufarbeiten des gebrauchten Materials. Das ist bitter. Privat sollte man sich davon nicht beirren lassen. Nur getrennter Müll kann sinnvoll recycelt werden. Und an dir soll die geringe Recycling-Ausbeute nicht liegen.
Tipp 6: Unterstütze Meeresschutz-Organisationen.
Unterstütze Meeresschutzorganisationen, zum Beispiel die Whale & Dolphin Conservation (WDC) oder unseren Partner Sea Shepherd. Die Logo mit Totenkopf und Harpunen hast du sicherlich schon mal gesehen. Seit 40 Jahren kämpft die Organisation gegen Wilderei und Umweltverbrechen auf den Meeren. Bis heute hat die Organisation tausenden Walen das Leben gerettet. Seit Polarstern-Anfängen ist Sea Shepherd ein Partner. Gemeinsam veranstalten wir Events, und wir unterstützen die Meereshirten mit Spenden. Wenn du unter dem Aktionscode Sea Shepherd zu Wirklich Ökostrom von Polarstern wechselst, gehen automatisch 30 Euro von uns an die Organisation.
Tipp 7: Erzähl vom Meer.
Die Meinung von Freund:innen ist wichtig. Sie hat vielleicht schon dem einen das Rauchen abgewöhnt, einem anderen das Rasen mit dem Auto. Unterhalte dich mit deinen Freunden über das Meer. Poste Petitionen und interessante Artikel. Erzähle von Facts, die du über die Meere gelesen hast. Von schwindenden Fischbeständen, Wasserverschmutzung und Artensterben. Bestimmt bleibt etwas hängen, und der nächste drückt seine Zigarette nie wieder im Sand aus. Mit erhobenen Zeigefingern haben wir allerdings schlechte Erfahrungen gemacht. Da fliegt die Kippe manchmal aus Trotz erst recht in den Sand.
Tipp 8: Kauf Produkte aus recycelten Materialien.
Immerhin ziehen einige Unternehmen den Abfall wieder aus dem Wasser und machen etwas Neues daraus. In Turnschuhen, Schwimmsachen oder Verpackungen wird teilweise Plastik aus dem Meer verarbeitet. Betonung auf teilweise. Der Anteil des Meeresmülls an den recycelten Materialien ist nämlich in der Regel gering. Der Aufwand, etwa Anziehsachen nur aus Meeresplastik herzustellen, wäre viel zu hoch und energieintensiv. Generell bleibt ein verantwortungsvoller, reduzierter Konsum die beste Möglichkeit, die Umwelt und damit das Meer zu schützen.
Tipp 9: Bleib interessiert.
Das Meer ist das Beste! Mindestens einmal im Jahr will jede:r hin. Unter den Schaumkronen der Wellen gibt es eine Welt, die größer ist als unsere an Land. Es gibt so viel zu entdecken. Lies Bücher, schau Filme – Interesse halten ist wichtig. Es sorgt dafür, nicht nur einmal kurz engagiert zu sein, sondern: für immer.